Dass die SP in Wien nicht mehr allein regiert, hat die Welt von Bürgermeister Häupl nicht auf den Kopf gestellt: "Ich konnte mich auch früher nicht über einen Mangel an Diskussionen beklagen."

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STANDARD:Bundeskanzler Werner Faymann wird vorgeworfen, staatsnahen Unternehmen vorzuschreiben, wo sie inserieren sollen. Hat er das als Wiener Wohnbaustadtrat gelernt?

Häupl: Das ist eine aufgewärmte Geschichte. Ich finde es originell, dass sich Journalisten darüber aufregen, dass in Zeitungen inseriert wird. Erkaufen kann man sich freundliche Berichterstattung sowieso nicht, sonst müssten wir von manchen Zeitungen viel besser behandelt werden. Das Ganze ist wirklich eine lächerliche und aufgebauschte Geschichte, die ablenken soll von jenen Leuten, die ins Geld gegriffen haben bei diversen Privatisierungen.

STANDARD: Sie halten das für ein Ablenkungsmanöver der ÖVP?

Häupl: Ganz richtig, aber vor allem von der FPÖ. Die haben es besonders notwendig. Die haben so viel Butter am Kopf, dass sie schon herumlaufen wie ein Germknödel.

STANDARD: Was sagen solche Manöver über das Koalitionsklima?

Häupl: Offensichtlich hat man sich ja am Dienstag wieder versöhnt, also werde ich jetzt nichts Böses sagen.

STANDARD: Klubobmann Josef Cap hat sich dafür ausgesprochen, Fotos zu verbieten.

Häupl: Das ist offensichtlich seit gestern so geregelt.

STANDARD: Finden Sie es schade, dass Sie dann nicht mehr so oft in der Zeitung sind?

Häupl: Zeigen Sie mir ein einziges Inserat mit einem Foto von mir, das nicht die SPÖ bezahlt hat. Ich brauche das nicht, weil ich komm‘ sowieso vor.

STANDARD: Vizebürgermeisterin Renate Brauner kommt derzeit in der "Krone" nicht gut weg. Worauf führen Sie das zurück?

Häupl: Offen gesagt: Ich kann es mir nicht erklären. Renate Brauner hat der Krone nichts getan. Ich weiß nicht, woher das kommt, und werde öffentlich keine Vermutungen anstellen.

STANDARD: Es geht schon seit einiger Zeit das Gerücht, dass Renate Brauner bald abgelöst werden soll. Wird es in Wien heuer noch eine Regierungsumbildung geben?

Häupl: Nein. Ich sehe überhaupt nicht ein, warum jemand, der äußerst erfolgreich das finanzielle Schiff durch die Krise gesteuert hat und steuert, abgelöst werden sollte.

STANDARD: Also steht weder Renate Brauner noch jemand anderer vor der Ablöse?

Häupl: Absolut richtig.

STANDARD: Laut einer Befragung sind 26 Prozent der Wiener SPÖ-Mitglieder mit der Integrationspolitik der eigenen Partei nicht zufrieden. Was muss sich da ändern?

Häupl: Darauf muss man einen zweiten Blick werfen: Diese 26 Prozent gehen in verschiedene Richtungen. Den einen machen wir zu viel, den anderen machen wir zu wenig. Die einen wollen, dass wir mehr auf die Hausordnung schauen, die anderen wollen, dass wir noch mehr tun in Richtung Integration und Hilfe.

STANDARD: 15 Prozent vermissen eine klare Linie. Wie interpretieren Sie das?

Häupl: Da bin ich gerade dabei, mir die Detailergebnisse anzuschauen. Die Forderung nach der klaren Linie kann alles bedeuten und auch nichts - damit man halt irgend etwas Kritisches sagt.

STANDARD: Hat auch bei der parteiinternen Debatte um das kleine Glücksspiel eine Linie gefehlt?

Häupl: Ich glaube, dass die Leute eher meinen, dass es eine gewisse Zeit gebraucht hat, um in der Frage der Vermögenssteuer innerparteilich Klarheit zu finden. In Wien wird häufig Bundes- mit Landespolitik vermischt.

STANDARD: Beim kleinen Glücksspiel gab es ziemlichen Widerstand von der Basis. Musste die Parteispitze da nachgeben?

Häupl: Das hat damit nichts zu tun. Ich nehme Parteitagsbeschlüsse ernst, das war's. Ob ich damit eine Freude habe oder nicht, ist uninteressant.

STANDARD:Trotzdem gab es einen Entwurf für ein neues Glücksspiel-Landesgesetz.

Häupl: Der Parteitagsbeschluss ist ja wesentlich differenzierter als der Titel "Verbot des kleinen Glücksspiels" . Da wurden konkrete Forderungen gestellt, und dem haben die Freunde, die das neue Gesetz auszuarbeiten und vorzubereiten hatten, auch Rechnung getragen. Auch das will man nicht, also ist die Sache erledigt. Für mich war maßgeblich, sage ich ganz offen, dass die Grünen erklärt haben, sie wollen kein neues Landesgesetz, und damit ist die Geschichte für mich erledigt.

STANDARD:Gab es schlechte Stimmung in der Koalition, als David Ellensohn und Peter Pilz mit dieser Ansage rausgegangen sind?

Häupl: Ich will das nicht überhöhen, aber Freude hatte ich keine damit. Ich wäre gespannt, was die Grünen dazu sagen würden, wenn sich unser Klubobmann Rudi Schicker mit Josef Cap gemeinsam hinsetzen würde.

STANDARD: Die Verhandlungen über die Öffi-Tarifreform sollen demnächst abgeschlossen sein. Wird die Jahreskarte 365 Euro statt bisher 449 Euro kosten?

Häupl: Das kann ich zur Stunde noch nicht sagen.

STANDARD: Aber diesen Betrag haben Sie ja selbst schon genannt.

Häupl: Das ist eine von mehreren Alternativen. Aber vor dem Abschluss der Verhandlungen möchte ich nichts sagen.

STANDARD: Die neue Geschäftsführerin der Wiener Linien hat gesagt, die Tickets müssten teurer werden. Hat sie damit nicht dem Ergebnis vorgegriffen?

Häupl: Das freut mich bei einer Angestellten der Stadt ganz besonders. Ich nehme das einmal zur Kenntnis, die Frau Reinagl hat ihren Wunsch geäußert, aber für politische Verhandlungen ist das nicht wirklich wichtig.

STANDARD: Das heißt, die Tickets sollen billiger werden?

Häupl: Schauen wir einmal.

STANDARD: Die Grünen wollen die Verbilligung mit Einnahmen aus der Parkraumbewirtschaftung gegenfinanzieren. Jetzt legen sich ein paar rote Bezirke bei der Ausweitung der Kurzparkzonen quer. Werden Sie mit den Bezirksvorstehern sprechen?

Häupl: Wir haben keine kollektive Führung. Wenn Verkehrsstadträtin Vassilakou eine Ausweitung der Parkraumbewirtschaftung will, dann muss sie sie mit den zuständigen Leuten verhandeln.

STANDARD:Auch in Berlin wird es eine rot-grüne Koalition geben. Welche Empfehlungen können Sie Ihrem alten Freund Klaus Wowereit geben?

Häupl: Klaus ist ein äußerst erfahrener Bürgermeister, der braucht keinen Ratschlag.

STANDARD:Können Sie nach einem Jahr Rot-Grün weiterempfehlen?

Häupl: Selbstverständlich, keine Frage. Koalition bedeutet immer einen höheren Diskussionsbedarf, ich habe mich aber auch in Zeiten der Alleinregierung nicht über einen Mangel an Diskussionen beklagen dürfen. Ich erkenne bei unserem Regierungspartner in Wien, dass ein Wille zur Lösung da ist. Es wird nicht geärgert um des Ärgerns Willen oder, um dem anderen eines auszuwischen. Das ist gut und angenehm.

STANDARD: Im Gegensatz zum Bund?

Häupl: Na ja, momentan haben wir uns alle ja wieder lieb. Also bin ich jetzt halt auch lieb. (Bettina Fernsebner und Andrea Heigl, DER STANDARD, Printausgabe, 29.9.2011)

Link: Häupl im Photoblog von Matthias Cremer