Ein gutmütiger Tropf, der sich mehr als ein Jahrzehnt lang durchs Studentenbudendasein schlägt: Charlie Kolostrum (Axel Ranisch), Hauptfigur aus David Schalkos "Wie man leben soll".

Foto: Lunafilm

 Ein leidlich komischer Nummernparcours durch die Niedrigkeiten des Studentendaseins.

Wien - Irgendwann hat man für alte Vertrautheiten keine Zeit mehr. Diese schmerzhafte Erfahrung bleibt auch Karl "Charlie" Kolostrum (Axel Ranisch), dem Antihelden dieses Films, nicht erspart. Bei seiner Geburtstagsfeier brechen die Studentenfreunde bereits vor Mitternacht auf, weil der Job, das Kind oder das Ego es eben so verlangen. Zu langsam, um etwas Pointiertes zu sagen, zu verdutzt, um sich über die Situation Klarheit zu verschaffen, bleibt er zurück. Und dann folgt rasch ein Gag - anstatt der melancholischen Einsicht, dass ein Lebensabschnitt endet, ein wenig Zeit zum Einwirken zu geben.

Womit wir auch schon bei einem der Probleme von David Schalkos Komödie Wie man leben soll, der Adaption von Thomas Glavinics gleichnamigem Roman, angelangt sind: Gleich einem Kind, das an einer Hyperaktivitätsstörung laboriert, hält dieser Film niemals still, sondern schießt eine Idee nach der nächsten ab, zündet eine Pointe auf die andere. Nun hat Schalko, Erfinder und Mastermind der Donnerstagnacht-Schiene des ORF, mit einer beschleunigten Patchwork-Ästhetik, die TV-Formate satirisch zuspitzt, zwar eine persönliche Handschrift gefunden. Aber in einem Spielfilm, der das Unterschiedliche auch zusammenhalten muss, funktioniert das, wie man jetzt merkt, kaum - zu viel Zerstreuung lenkt vom Wesentlichen, der Geschichte, ab.

Wie man leben soll gestaltet sich als Zeitreise in die 1990er-Jahre, die mit besonderem Augenmerk für ausstatterische und modische Ungeheuerlichkeiten nachempfunden sind. Kolostrum, übergewichtig und deshalb beim anderen Geschlecht nicht sonderlich gefragt, beginnt zu dieser Zeit sein Studium der Kunstgeschichte - eine Wahl, die sich allein dem Umstand verdankt, dass sich in diesem Fach angeblich die schönsten Frauen tummeln. Schon hier wird das im Prinzip ergiebige Motiv der persönlichen Neuerfindung dem Kalauer geopfert. Keiner soll hier schnell ein anderer werden.

Der Film interessiert sich allerdings weniger fürs Studium als für die muffige Sub- und Lebenskultur, die es hervorbringt oder begleitet. Im Stile einer nostalgisch-grellen Nummernrevue, die Indiana-Jones-Fantasien miteinschließt und vom satirischen Ratgeber-Duktus der Buchvorlage angetrieben wird, reihen sich prototypische Stationen aneinander: vom kümmerlichen Studentenbudendasein mit Kumpel Mirko (Robert Stadlober) und sporadischem Grindsex über unglamouröse Wege der Finanzenaufbesserung mittels Auslandsjobs und Taxifahren bis zu halbherzigen Polit-Aktivitäten beim "roten Walter" und Musiker-Avancen.

Patscherter Duracell-Hase

Kolostrum durchschreitet diese Welt wie ein Duracell-Hase, als wissensresistenter, gutmütiger Tropf, an dem das Leben vorüberzieht. Statt einer Geschichte zu folgen, sieht man Figuren zu, die Studentenwitze verkörpern. Das Staraufgebot in allen Neben- und Zwischendurchrollen - Robert Palfrader als Taxlerboss, Josef Hader und Maria Hofstätter als Swinger-Pärchen, Detlev Buck als General eines karitativen Vereins, die vielen Cameos - macht die Sache nicht besser, sondern trägt eher zur Verwechselbarkeit bei.

"Komödien sind Tragödien plus Zeit", lautet ein kluger Satz in dem Woody Allen-Film Crimes and Misdemeanors. Das bedeutet, dass ein Witz auch einer gewissen Dringlichkeit bedarf, einer Fallhöhe, die ihn beflügelt. In Wie man leben soll ist diese leider recht kurz geraten. (Dominik Kamalzadeh, DER STANDARD/Printausgabe 5.10.2011)