Leslie Feist singt 2011 über dieses Thema: "A good man and a good woman bring out the worst in each other."

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Wien - Zum einen sind da natürlich die ganzen amerikanischen Krankenhausserien, die es zu beschallen gilt. Angefangen von Emergency Room über Dr. House bis zu Grey's Anatomy, Private Practice, Mercy, Hawthorne: Bei Krebsdiagnosen oder ärztlichen Bekenntnissen wie "Ich habe dich betrogen, aber es tut mir schrecklich, schrecklich leid", "Mr. President, ich will ehrlich zu Ihnen sein, Sie haben nicht mehr lange zu leben" oder "Ich gehe für ein Jahr in ein afrikanisches Bürgerkriegsgebiet, die Menschen dort brauchen Hilfe, aber wir können jederzeit skypen" ist sensible Musik gefordert.

Coldplay und ihre sanftmütige Hysterie sind damit groß geworden. Junge bärtige Männer mit Laptops, die klingen, als würde damit gerade einen Strahlentherapie verabreicht, schrummen dazu bedächtig ihre akustischen Gitarren und singen vom Weg als Ziel, Liebe gegen jede Vernunft oder irgendwelchen kalten Welten und einsamen Herzen.

Vor allem aber junge ernsthafte und meist nur für ein Klagelied in der vierten Folge von Staffel drei der Grey's Anatomy bekannte Frauen in der Nachfolge von Fiona Apple, Tori Amos oder Aimee Mann machten sich akustisch in der Notaufnahme verdient. Wir hören avancierten Pop, der mitunter so klingt, als würde Björk für das Gewand-Ikea auch im Alltag tragbare Trauerkleidung entwerfen und sich daher gesanglich aus der Schusslinie nehmen.

Hipster in Passivhäusern

Gern wird von Ingrid Michaelson, Beth Orton, Cat Power, Jewel, Emily Haines, Meg Baird, Regina Spektor, Laura Marling oder Laura Veirs und der derzeitigen Gattin des derzeitigen französischen Präsidenten nach enttäuschenden Beziehungen auch einmal aufs Land geflüchtet. Dort sucht man in rein platonischer Gemeinschaft mit ehrlichen bärtigen Burschen und ihren Wanderklampfen das wahre Leben in der Landwirtschaft und in Passivhäusern, weil der Untergang des amerikanischen Imperiums im urbanen Hipster- und Gentrification-Milieu irgendwie ohne eigenes Gemüse keinen Spaß mehr macht. Allein die Mietpreise!

In dieser zwischen Williamsburg-Brooklyn und Prenzlauer Berg oder Wien-Neubau ziemlich identen, extrem individualisierten Welt gibt das Erscheinen eines neuen Albums der kanadischen Songwriterin Leslie Feist Anlass zum milden Begeisterungstaumel. Schließlich hat die das Genre regierende Königin der Feinfühligkeit und Empathie vier lange Jahre geschwiegen. Sie ist aufgrund einer gescheiterten Beziehung aufs Land geflüchtet. Hat nachgedacht, verarbeitet, hat ihrer Gitarre Geschichten mit schlechtem Ausgang erzählt. "A good man and a good woman bring out the worst in each other", so beginnt das neue Album namens Metals.

Man wird dieses mit zerbrechlicher, aber tapferer Stimme vortragende Rolemodel aller Hipster bis an den Rand der Erschöpfung dabei belauschen, wie das Leben und die Liebe mit milder Verbitterung beklagt werden. Außer beim Halbzeitstand Commotion, in dem wuchtige Klavierakkorde den verwüsteten Seelenhaushalt nachbebend erschüttern, wird das künstlerische Mitteilungsbedürfnis grundsätzlich mit sanft-gestreichelten Instrumenten konsumentenfreundlich mollig gestaltet. Die Produzenten Chilly Gonzalez oder Björk-Kollaborateur Valgeir Sigurdsson lassen Feist ihre Bitter-sweet Melodies träge anschmachten. Bloß keine Aufregungen mehr. Sie sind die Schwestern der Enttäuschung. Aber ein Fair-Trade-Caffè-Latte wäre noch nett. Diese Platte wird ein Hit.   (Christian Schachinger/ DER STANDARD, Printausgabe, 6.10.2011)