"Der Filmmacher hatte noch Körperkontakt zur Welt. Ein Filmmacher arbeitet mit Klebstoff und Schere, er schafft damit eine Architektur von Abbildern und Abtönen des wirklichen Lebens": Peter Kubelka über sein Leitmedium.

Foto: Standard/Heribert Corn

Wie das geht, dass er nun auf DVD erscheint, und was er von neuen Medien hält, fragte Bert Rebhandl.

Peter Kubelka hat sich bisher standhaft geweigert, sein schmales filmisches Werk digitalisieren zu lassen. Arnulf Rainer oder Unsere Afrikareise gelten als zentral für die Geschichte des künstlerischen Films im 20. Jahrhundert, bisher waren davon außerhalb des Kinos nur inoffizielle Versionen im Netz verfügbar. Nun ist Kubelka auch in der Edition zum österreichischen Film vertreten: Mit Film als Ereignis, Film als Sprache, Denken im Film hat er die prominente Nummer 200 bekommen. Ein guter Anlass, mit Peter Kubelka über Film und Medien zu sprechen, über Vorzüge und Verluste des digitalen Zeitalters.

STANDARD: Herr Kubelka, was ist denn da drauf auf der DVD 200, wenn nicht Ihre Filme?

Kubelka: Da muss ich ein wenig ausholen, damit meine Antwort einen Sinn macht. Es ist ja so, dass ich meine Filme nicht digitalisiert zeigen will. Sie sind für eine bestimmte Situation gemacht, nämlich für eine Vorführung im Kino. Das Kino ist eine der wunderbarsten Gegebenheiten, die uns in unserer Zeit zur Verfügung stehen. Es ist eine finstere Höhle, in der man nichts von der Außenwelt hört. Man sitzt im Kopf des Filmmachers. Mit seinen Sinnen bilde ich mir die gesamte Wirklichkeit. Der Filmmacher hatte noch Körperkontakt zur Welt. Ein Filmmacher arbeitet mit Klebstoff und Schere, er schafft damit eine Architektur von Abbildern und Abtönen des wirklichen Lebens.

STANDARD: Was ist also auf Ihrer DVD zu sehen?

Kubelka: Ein Vortrag, in dem ich mich bemühe, mein Argument für das Kino noch besser zu führen. Ich spiele auch meine Filme, allerdings nicht bildfüllend. Man sieht meine metrischen Filme und auch die Afrikareise, man sieht aber das Kino, in dem sie gezeigt werden, und sieht so die Entfernung des Kinos von der digitalen Wirklichkeit.

STANDARD: Einmal abgesehen von den eigenen Filmen: Nützen Sie das Medium DVD?

Kubelka: Ja, ich habe DVDs. Ich nütze alle modernen Medien, ich habe ein iPad, ich habe Computer, und ich bemühe mich, diese Dinge abzuschmecken. Ich habe auch Bücher im iPad, ich lese Zeitungen. Was hauptsächlich rauskommt, ist, dass das Digitale einen Nutzen hat, aber dass es niemals das Medium ersetzt, das es abbildet. Aber es wäre völlig falsch zu sagen: weg damit! Das geht ja auch gar nicht. Der Strom des Digitalen, der sich über die Welt ergießt und der mir auch Spaß macht, ist ja ein kosmisches Ereignis. Aber nie hätte ich einen Film dafür gemacht.

STANDARD: Was halten Sie etwa von Michael Haneke? Wahrscheinlich der gegenwärtig bekannteste österreichische Regisseur, und nicht selten interessiert er sich in seinen Spielfilmen für das, was Sie auch beobachten - den Übergang ins Informationszeitalter.

Kubelka: Ich habe Filme von ihm gesehen und muss sagen, dass ich das schätze. Das ist im Rahmen dieses Genres wirklich Weltspitze. Ich kenne zum Beispiel Funny Games, den habe ich in zwei Versionen gesehen, das war ein ganz großes Erlebnis. Ich habe einen Freund in Paris, der übersetzt jetzt schon zum vierten Mal das Tao Te King. Da ergibt sich eine Klärung der Gedankenwelt. So auch hier. Ich kenne keinen anderen Fall, wo derselbe Regisseur ein Remake seines eigenen Films gemacht hätte. Es sind nämlich eigentlich wenige Differenzen, wo aber welche sind, sind sie sehr signifikant.

STANDARD: Wie halten Sie es denn mit dem Fernsehen, das im österreichischen Film immer schon eine wichtige Rolle gespielt hat?

Kubelka: Vom normalen Programm im österreichischen Fernsehen sehe ich gar nichts. Ich schaue mir ab und zu Spielfilme an, um gewisse Informationen zu erhalten.

STANDARD: Die Edition umfasst mittlerweile 200 Titel - im Bücherregal sieht das sehr imposant aus, und gehören Filme dort nicht ebenso hin wie Bücher? Das österreichische Nationalkino in seiner ganzen Vielfalt.

Kubelka: Natürlich, so ist es richtig. Das ist dann allerdings vielleicht wie der gesamte Goethe in 27 Bänden, die, wenn der Eigentümer stirbt, noch funkelnagelneu übergeben werden, und zwar wahrscheinlich dem Antiquar. Das würde mich selber interessieren, wie viel da gesehen wird, wie viele Leute sich das anschauen auf diesen Plattln. Auf meinem iPad mache ich jedenfalls lieber Sachen, bei denen ich eine Interaktion habe. Ich blättere lieber, als dass ich mir Jeanne d'Arc anschaue. Das Medium hat andere Qualitäten. Nun hat man diese Filmbibliothek. Was geschieht damit? Das ist mir ein Rätsel. Wer liest diese Millionen Bücher, die im Handel sind? Wer schaut sich die Milliarden Fotos an, die unter Federführung von Japan in der Welt geschossen werden? Das sind eigentlich Kulthandlungen. Vielleicht ist die Sammlung der österreichischen DVDs eine ähnliche Kulthandlung.

STANDARD: Viele betreiben bei diesem Kult großen Aufwand, sie kaufen sich einen Beamer, verdunkeln das Wohnzimmer. Haben Sie dafür kein Verständnis?

Kubelka: Doch. Ich habe selber einen riesengroßen Fernseher mit Rückprojektion, wodurch das Glänzen der Scheibe vermieden wird. Das ist nämlich furchtbar. Ich habe kürzlich beim Heurigen von einem dieser Todesöfen, in dem den ganzen Tag Schweinsbraten gefoltert werden, ein Foto gemacht. Und später habe ich mir das zu Hause angesehen und dachte plötzlich: Jö, das schaut aber gut aus. Wir sehen heute ständig technische Schönheitsoperation an der Wirklichkeit.

STANDARD: Immerhin gibt es mit neuen Medien wie der DVD auch so etwas wie ein Glück der Erreichbarkeit. Vieles, was man früher nie sehen hätte können, ist verfügbar.

Kubelka: Dafür habe ich vollstes Verständnis. Das lernt man aus der Archäologie. Man kann nicht verlangen, dass 2,8 Millionen Jahre alte Dinge neuwertig überliefert werden. In diesem Prozess der unentwegten Schuttbildung muss man froh sein, wenn überhaupt etwas überbleibt. Die Medien sind eine Möglichkeit, uns einer Vergangenheit zu erinnern, die sonst verschüttet werden würde. (Bert Rebhandl, DER STANDARD/SPEZIAL - Printausgabe, 8./9. Oktober 2011)