"You got me begging you for mercy" - Von jungen Stimmen, die großen Stars das Wasser reichen, bis zu Karaoke, das um Gnade flehen lässt.

Foto: Standard/Milena Klien und Julia Höftberger

Salzburg - Kontraste, so weit Augen und Ohren reichen. Alphörner und gepiercte Lippen, Trachtenverkäuferinnen im Dirndl, E-Gitarren und türkise Harfen. Musik Salzburg ist ein "Konglomerat aus Konzerten, Schauveranstaltungen und Workshops", sagt Wolfgang Baumgartner, Leiter der Messe, die letzte Woche in der Mozartstadt stattfand. Auf 7200 Quadratmetern werden Klassiker und Kuriositäten ausgestellt: Panflöte neben digitaler Kirchenorgel.

Ein Headliner der Veranstaltung: Voiceation. Der Leiter der Gesangsschule, ein Dieter-Bohlen-Typ, versucht beim Publikum begrabene Träume von Popsternchen und Rockröhren wiederauferstehen zu lassen, lobt die stimmlichen Juwelen seiner Schülerschaft und bittet sie mit perfektem Zahnpastalächeln auf die Bühne: Die 17- jährige Verena singt Mercy und kann damit der eigentlichen Interpretin Duffy allemal das Wasser reichen. Sie nimmt seit einem Jahr im Rahmen von Voiceation Unterricht - bei der Sängerin von Die Seer. Gleich nebenan: die große Vinylbörse für die kleine Geldbörse, wo mit etwas Geduld Raritäten aufzuspüren sind.

Und auch Selbstverwirklichung ist hier günstig: Für knapp 200 Euro nimmt man bei der VocalUnion seine eigene CD auf und kommt im Zuge dessen zu Tonstudio, professioneller Nachbearbeitung der stimmlichen Mängel und der fertigen Scheibe plus Cover.

Bleibt zu hoffen, dass dieses Angebot den Karaokesängern der Bühne nebenan nicht zu Ohren kommt, die mit Begeisterung das Trommelfell der Anwesenden malträtieren.

Hi-Hat und Hörgerät

Einige Stände weiter wartet wie auf Kommando ein Massagestuhl-Quartett auf seinen Einsatz. Für Besucher, die sich beim Aufschultern der Ziehharmonika verrissen haben und gescheitert sind beim - im wahrsten Sinne krampfhaften - Versuch, einen Double Bass zum rhythmischen Klingen zu bringen, sind sie eine ledergewordene Oase der Entspannung. Ob die vibrierenden Stühle ein wesentlicher Bestandteil der Musikindustrie sind? Ja, sagt die Herstellerfirma. Wer möchte schon eine tanzunfähige Popdiva mit Rückenbeschwerden und Lieder, die nicht von einer angeknacksten Liebe, sondern von einer angeknacksten Bandscheibe handeln? Na eben.

Dementsprechend ist kein einziger der Sessel frei, man steht sogar Schlange. Weniger Andrang bei den Ständen ringsum, wo es um exotische Instrumente wie etwa die Okarina-Flöte geht.

Dave ist aus beruflichen Gründen hier. Der 18-Jährige ist Schlagzeuger der Metal-Core Band Tuxedo, die schon auf Festivals wie dem Nova Rock spielte. Quasi ein Promi also. Als solchen würde er sich nicht bezeichnen, lacht Dave. "Ich habe als Kleinkind schon auf Töpfen herumgeklopft", erzählt er, mit vier Jahren nahm er erstmals Schlagzeugunterricht. "In 14 Jahren lernt man halt was." Dave konnte so einen der begehrten Studienplätze der Musik-Uni Mozarteum ergattern. Die Messe sei ein guter Ort, um neues Equipment einzukaufen, erklärt er, bevor er zwischen ein paar Hi-Hats verschwindet.

Sogar Hörgeräte gibt es, stellt man amüsiert fest, doch bald ist klar, es handelt sich doch um "In-Ear-Systems" für Musiker und Hörschutz für das Publikum - die gesundheitliche Sicherheit beim Dezibel-Genuss ist hier Thema.

Vorwiegend der Rockmusik ist die Messe zugetan, doch sind durchaus auch andere Genres vertreten. Nicht nur eine Bandbreite von Gibson E-Gitarren lässt staunen, sondern auch der klassische Stand mit Geigen und Konzertgitarren. Ein Video der Entstehungsgeschichte einer solch scheinbar recht simpel konstruierten Geige belehrt eines Besseren. Für himmlische Klänge sorgen Harfen - hier sogar in Türkis erhältlich.

Und sogar für verzweifelte Besitzer einer noch nicht digitalen Kirchenorgel ist der "Ansprechpartner Nummer eins" zur Stelle, um die Kirche von morgen auszustatten, die sich ein jüngeres Publikum wünscht.

2013 ist eine Wiederholung der Salzburger Musikmesse geplant. Die erste Version fiel kleiner aus als erwartet, schlug aber durchaus interessante Töne an. Schließlich ist sich nicht jeder im Klaren darüber, dass es eine staatliche Subvention für bundeslandgemäße Tracht bei Volksmusikkapellen gibt. Oder dass außerirdisch anmutende kabellose und mehrfarbig glühende Lautsprecher in Pyramidenform um 2500 Euro ein absolutes Must-have für den hauseigenen Whirlpool sind. Die stellen wir gleich neben den musikalischen Massagestuhl. (Julia Höftberger, Milena Klien, DER STANDARD, Printausgabe, 19.10.2011)