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Verschwundene Tiere, Ausländer und Fukushima - der Wahlkampf ist so unterschiedlich wie die Schweizer Kantone.

Reuters: Hartmann

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Die SVP setzt auf Altbewährtes im Wahlkampf. Im Internet wird hingegen dazu aufgerufen, Roger Federer zu wählen.

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Die Schweizerinnen und Schweizer wählen am Sonntag jene Kandidaten ihres Kantons, die sie dann auch im Parlament vertreten sollen.

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Die 200 Abgeordneten des Nationalrats und 46 Abgeordneten des Ständerats werden im Dezember die Regierungsmitglieder wählen.

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Wahlkampfzeiten versprechen normalerweise Spannung und Schlagabtausch. In der Schweiz gelten – wie in vielen anderen Bereichen auch – jedoch andere Gesetze. Wahlversprechen hört man selten bis gar nicht, Spitzenkandidaten, die landesweit für Furore sorgen gibt es nicht. Jeder Kanton kocht sein eigenes Süppchen, diskutiert über andere Wahlkampfthemen. Da sorgte das Verschwinden und Wiederauftauchen des SVP-Maskottchens und Geißbocks Zottel noch für die größte Aufregung in den letzten Wochen. Das Resümee des Schweizer Magazins "Weltwoche" fällt deshalb ernüchternd aus: "Der Wahlkampf 2011 war langweilig."

Konstanz statt Aufgeregtheit

Dieses Urteil ist zum großen Teil dem politischen System in der Schweiz geschuldet. Die Tatsache, dass das Land seit jeher von einer Mehrparteienkoalition geführt wird, die Kompromisse eingehen muss, erlaubt es den Parteien nur beschränkt im Wahlkampf mit Standpunkten zu provozieren und zu polemisieren. Die Schweizer Regierung (auch als Bundesrat bezeichnet) setzt sich schon seit Jahrzehnten mehr oder minder aus denselben Parteien zusammen und daran wird auch die Wahl am kommenden Sonntag, die in einem ersten Schritt erst einmal nur die Sitze im Parlament neu vergibt, nicht viel ändern. Erst im Dezember 2011 entscheidet dann das Parlament, wer in die neue Regierung kommt. Derzeit halten die Sozialdemokratische Partei der Schweiz (SP) und die Freisinnig-Demokratische Partei (FDP) zwei Regierungssitze, die Christlichdemokratische Volkspartei (CVP) einen. Die zwei restlichen Sitze nehmen die Schweizer Volkspartei (SVP), eigentlich stimmenstärkste Partei bei den letzten Wahlen, und die Bürgerlich Demokratische Partei (BDP), die sich im Jahr 2007 von der SVP abgespalten hat, ein. Die Sitzverteilung entspricht im Moment deshalb nicht dem Kräfteverhältnis des letzten Wahlergebnisses.

FDP dürfte stark verlieren

Für die Parlamentswahl am Sonntag, bei der 200 Mandate im Nationalrat und 46 Mandate im Ständerat (vergleichbar mit dem österreichischen Bundesrat) für die nächsten vier Jahre vergeben werden, wird erwartet, dass die SVP (2007 lag sie bei fast 30 Prozent) erneut Zuwächse verzeichnen wird. Die FDP könnte zum großen Wahlverlierer werden und sogar ein Viertel ihrer bisherigen Sitze abgeben. Im Aufwind hingegen befindet sich die grün-liberale Partei (glp), die erst 2007 gegründet wurde und sich in der Mitte des politischen Spektrums verortet. Sie konnte stark von den Diskussionen rund um den schweizerischen Ausstieg aus der Atomkraft profitieren, die vom verheerenden Unfall in Fukushima losgetreten wurden. Auch für die Schweizer Piratenpartei ist es nicht denkunmöglich ins Schweizer Parlament einziehen zu können. Über Listenverbindungen mit anderen Klein-Parteien könnte das gelingen. SP, CVP und BDP dürfen am Sonntag mit leichten Zuwächsen rechnen.

Anzeige gegen SVP wegen Verhetzung

Nennenswerte Aufmerksamkeit erhielt in diesem Wahlkampf nur die schon bei den letzten Parlamentswahlen populäre Ausländerdebatte. Das gilt vor allem für den deutsch-sprachigen Teil der Schweiz. Die SVP hat es sich auch dieses Mal nicht nehmen lassen "Masseneinwanderung stoppen" oder "Kosovaren schlitzen Schweizer auf" plakatieren und inserieren zu lassen. Gegen letzteres Inserat haben nun zwei Kosovaren bei der Staatsanwaltschaft eine Anzeige wegen Verhetzung eingereicht. Immerhin 120.000 Personen haben die Volksinitiative der Schweizer Volkspartei über Ausländerpolitik schon unterschrieben, über die nächstes Jahr abgestimmt werden soll. Ziel ist es, die Anzahl der Aufenthaltsbewilligungen für Ausländer zu beschränken. Das inkludiert auch Neu-Verhandlungen mit der EU. Die BDP, die sich vor vier Jahren von der SVP abgespalten hat, nimmt in Migrationsfragen keine so drastische Position ein und will auch in Sachen Umweltpolitik punkten.

Neue Chance für Blocher

Einer der wenigen landesbekannten Schweizer Polit-Charaktere, Christoph Blocher (SVP), will es am 23. Oktober 2011 noch einmal wissen. Obwohl er im Jahr 2007 abgewählt wurde, kandidiert er dieses Jahr im Kanton Zürich sowohl für den Ständerat als auch den Nationalrat. Ein Mandat dürfte Blocher, der die scharfe SVP-Linie in Migrationsdebatten über die Landesgrenzen hinweg bekannt gemacht hat und auch dieses Mal wieder auf "Schweizer Werte" setzt, relativ sicher sein. Interessant, dass im Gegenzug dazu diese Debatten im italienisch-sprachigen Teil der Schweiz wenig ziehen. Arbeitslosigkeit ist hier eines der brennendensten Themen, wie die Umfragen des Schweizer Wahlbarometers zeigen.

EU-Skepsis bestätigt durch Finanz- und Wirtschaftskrise

Die EU-Skepsis in der Bevölkerung ist aufgrund der wirtschaftspolitischen Entwicklungen ungebrochen. Jedoch attestiert zumindest Roger Köppel, Chefredakteur der Schweizer Weltwoche, fast allen Schweizer Parteien, dass sie hinter vorgehaltener Hand, immer wieder Richtung Brüssel schielen würden. Er warnt, dass die EU die Erfolge der Schweiz in der derzeitigen prekären Lage für sich nützen wollen wird und plädiert für eine noch stärkere Abgrenzung: "Heute ist dort, wo bilateral draufsteht, meistens Beitritt drin."

Facebook-Initiative: Roger Federer in den Ständerat

Die Wahlbeteiligung ist in der Schweiz traditionell sehr niedrig (2007 lag sie bei circa 48 Prozent) und daran wird sich auch dieses Mal nicht viel ändern. Politologen interpretieren dies aber nicht als Ausdruck von Politikverdrossenheit, vielmehr wüssten die Schweizer, dass sich das politische Geschäft durch die Wahlen ohnehin nicht dramatisch ändern wird, da in einer Mehrparteien-Koalition regelmässig Kompromisse ausgehandelt werden müssen. Dennoch, auch in der Schweiz gibt es erste Ansätze von politischer Unzufriedenheit, obwohl das Land nach wie vor mit niedrigen Arbeitslosenzahlen und guten Wirtschaftsdaten prahlen kann. In Zürich protestierten "Empörte" vergangene Woche unter dem Titel "Occupy Paradeplatz" gegen das Finanzsystem und die politische Elite. Auf Facebook wiederum wurde von einer Gruppe dazu aufgerufen, doch den Tennisstar Roger Federer in den Ständerat – der auch als "Stöckli" (Altenteil) für altgediente Politiker bezeichnet wird – zu wählen, um dem "Altersheim Parlament" ein Ende zu setzen. Ein anderer prominenter Sportler kandidiert jedenfalls definitiv: Skilegende Paul Accola geht für die SVP ins Rennen. (ted/derStandard.at, 20.10.2011)