... von halblauter Klassik umwummert zu werden, bröselten sanft und weit unter Zimmerlautstärke irgendwelche Chillouttunes über den Platz. Schade, meinte A. noch einmal, drehte sich auf unserer blauen Liege so, dass sie nicht mehr zur DJ, sondern auf das Bassin neben uns schauen konnte und griff gleichzeitig nach Zigaretten und Kaffee. Mit Musik, also mit richtig schöner, halbwegs lauter Musik, wäre es doch noch netter. Hier, auf dem großen Platz hinter den Kasernenmauern des MQ.

Natürlich hat A. recht. So wie alle, die jetzt den Innenhof des Museumsquartieres als urbanen Aufenthaltsraum unter freiem Himmle entdecken - und bedauern, dass die Belebung des Platzes fast wie im Stummfilm passiert: Keine Dosenmusik, keine Straßenmusikanten, keine Ghettoblaster. Und auch keine Didgeridoobläser, Gitarrenspieler oder Bongoklopfer. Fast gespenstisch, klagte auch B., als wir einen halben Tag in den blauen Sommerliegen herumlungerten, sei das. Und falls es stimme - B. und A. glauben mir solche Geschichten mittlerweile aus Prinzip nicht ­-, dass ­die Wächter des MQs den Auftrag hätten, jede öffentliche Musikalität hier im Keim zu ersticken, dann sei das erstens eine Sauerei und zweitens typisch wienerisch.

Galloppierende Verspießerung

Dass ich das - drittens - völlig in Ordnung fände, wäre außerdem ein weiterer Beweis für meine galloppierende Verspießerung. Waren sich B. und A. einig. Sicher: Panflötenden Indioterror würden auch sie innerhalb einer halben Stunde mit Gewalt beenden. Aber trotzdem: Eine Gemeinheit. Aber weil die beiden ja nette Menschen sind, ließen sie sich dann doch dazu bewegen, mit mir in den nicht repräsentativen Teil des Fischer-von-Erlach-Traktes vorzudringen. Weil sie schon einen Blick in die Datschas jener Privilegierten werfen wollten, die hier so fürstlich hausen.

Das „fürstlich“ nahmen die beiden wieder zurück. So riesig ist das Etablissement der Familie G. nämlich auch nicht. Eher im Gegenteil. Zwei Zimmer. Mittelklein. Aber - zugegeben - exquisit gelegen und äußerst günstig. Über den Nachteil der Wohnung brauchten wir aber keine Wort zu verlieren: Unten, im Wasser, spielte ein Kind. Nicht einmal laut. Eine Frau ging mit Stöckelschuhen vorbei. In der Wohnung klang das nach Kreissäge bei den Niagarafällen. Und ein unsichtbarer Bildhauer hämmerte auf Stein. Irgendwo im Raum hatte die Plattenauflegerin außerdem auch eine Box versteckt.

Sie und ihr Mann, erzählte Frau G., wohnten seit einer halben Ewigkeit hier. Früher, als die Messe noch hier war, sei das ein richtiger Razzenstadl gewesen. Wenn etwas kaputt ging, habe man nicht repariert, sondern einfach - wenn überhaupt - Pressspanplatten drüber genagelt. Irgendwann habe sie dann den Eindruck gehabt, der Messepalast bestehe nur noch aus Holzplatten mit Rattenlöchern. Aber es sei ruhig gewesen. Fast immer. Eigentlich zu still. Nicht zuletzt darum habe sie sich über den Bau der Museumslandschaft gefreut - und auch den scheinbar ewigen Lärm und Staub der Baustelle in Kauf genommen. Und jetzt fühle sie sich mitunter wie eine Spielverderberin.

Bierflaschenfußball

Am schlimmsten, meint Herr G., wäre es in der Nacht. Wenn lange nach dem Verabschieden und Wegräumen in den Schanigärten einzelne Betrunkene durch den 24 Stunden geöffneten Hof spazierten: Dass eine einzige über den Boden gekickte Bierflasche so laut sein könne, hätte er selbst auch nie geglaubt. Bis er es jetzt nun alle paar Tage erlebe. Wenn wir wollten, könnten wir uns auch das gerne einmal anhören. A. lehnte dankend ab.

Wenig später, wir hatten es uns auf unseren blauen Liegen gerade wieder bequem gemacht, wurde das Mädchen am Mischpult von einem Kollegen abgelöst. Der Sound blubberte lauter. A. schaute auf das Fenster schräg über dem Haupteingang. Frau G. stand da und winkte uns zu. Dann zuckte sie traurig mit den Schultern - und schloss das Fenster. Eigentlich schade, sagte A.

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