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Przewalski-Pferde in der ungarischen Puszta: Als Rückkehrer erinnern sie an das einst europaweit vertretene Wildpferd.

Foto: APA/EPA/LASZLO

Kiel - Das Wildpferd (Equus ferus) zählte zu den wichtigsten Beutetieren des in Europa und Asien lebenden Neandertalers und des dort einwandernden modernen Menschen. Insofern kommt es etwas überraschend, wenn Forscher feststellen, dass das Wildpferd einst von der zunehmenden Ausbreitung des Menschen auch profitiert hat. Genau das scheint aber der Fall gewesen zu sein, wie die Kieler Christian-Albrechts-Universität berichtet.

Im Fachmagazin "Journal of Quaternary Science" legen Forscher um Robert Sommer von der Uni Kiel und Ulrich Schmölcke von der Stiftung Schleswig-Holsteinische Landesmuseen dar, wie sie zu diesem Befund kamen. Sie untersuchten Knochenreste von Wildpferden in 207 archäologischen Siedlungen im gesamten europäischen Raum aus der Zeit von etwa 9600 bis 3500 vor unserer Zeitrechnung. Mit Hilfe der Radiokarbondatierung bestimmten die Wissenschafter das Alter etlicher Wildpferde. Diese Fundmuster verglichen Sommer und Schmölcke mit der Entwicklung der nacheiszeitlichen Umweltverhältnisse und der Klimaentwicklung sowie der zunehmenden Ausbreitung des Menschen in der Jungsteinzeit.

Klimawandel überstanden

Ihre Ergebnisse zeigen, dass das Wildpferd die drastischen Temperaturerhöhungen und damit einhergehende Veränderungen der Vegetationsdecke vor etwa 11.600 Jahren länger als gedacht überlebte. Und das, obwohl es als typischer Vertreter der eiszeitlichen Megafauna ein Steppenbewohner war, der sich dann der Ausbreitung von Wäldern gegenübersah. Funde beweisen aber, dass Wildpferde noch in Landschaften gelebt haben, die durch eine zunehmend dichter werdende Vegetationsdecke aus Kiefern, einem dichten Unterwuchs aus Haselnuss-Büschen und ersten einwandernden Laubbäumen bestand. Zu dieser Zeit müssen die Vorkommen der Wildpferde jedoch schon sehr ausgedünnt gewesen sein, weil sie eher selten und nur zu einem auffällig geringen Prozentsatz in der Jagdbeute der Steinzeit-Menschen auftauchten.

Sommer und sein Team schlussfolgern daraus, dass es in der nacheiszeitlichen Wärmezeit um 7600 vor unserer Zeitrechnung im nördlichen Mitteleuropa noch offene Flächen gegeben hat. Zudem ziehen sie in Betracht, dass natürliche und vom Menschen verursachte Waldbrände sowie regelmäßige Überschwemmungen in Flussniederungen dazu beitrugen, offene Flächen für Wildpferde zu erhalten.

Dies änderte sich jedoch während des Klimaoptimums in Europa ungefähr vor 9.000 Jahren. In dieser Zeit, in der es etwa zwei Grad wärmer war als heute und zahlreiche Laubbaumarten eingewandert waren, die ausgedehnte Eichen-Mischwälder bildeten, war das Wildpferd im nördlichen Mitteleuropa so gut wie ausgestorben. In den ausgedehnten Mischwald-Landschaften fand das Wildpferd keine geeigneten offenen Flächen mehr und starb in den meisten Gebieten aus. Die Wissenschafter sind jedoch der Meinung, dass die nacheiszeitliche Urlandschaft nicht komplett zugewachsen war. Kleinere offene Flächen dürfte es bei einer natürlichen Waldentwicklung immer geben, glauben sie - und auf solchen könnte eine kleine Population überlebt haben.

Happy End auf Umwegen

Was sich dann ab etwa 5500 vor unserer Zeitrechnung ereignete, ist die eigentliche Überraschung: Parallel mit der Ausbreitung der neolithischen Menschen, die hauptsächlich vom Ackerbau und der Viehzucht lebten, ist auch die deutliche Wiederausbreitung des Wildpferdes nachgewiesen. Sommer und Kollegen gehen davon aus, dass die Wildpferde durch die Rodungen der frühen Ackerbauern in Europa wieder zunehmend offene Flächen in der Landschaft fanden, was zur Wiederausbreitung führte. Das Wildpferd wurde in der Jungsteinzeit somit zum Kulturfolger. Bis etwa 3600 vor unserer Zeitrechnung waren so wieder weite Teile Mitteleuropas durch das Wildpferd besiedelt - über 1.000 Jahre, bevor die ersten Hauspferde in Mitteleuropa auftauchten.

Erst in historischer Zeit ging es mit dem Wildpferd zu Ende. Bejagung, die nahezu vollständige Umwandlung von Natur- in Kulturlandschaften sowie vermutlich auch Vermischung mit Hauspferden ließen eine Unterart des Wildpferds nach der anderen verschwinden. Die letzten starben im 19. Jahrhundert aus - nur eine einzige, das Przewalski-Pferd, konnte erhalten und nach mühevoller Zuchtarbeit sogar - in Asien, aber auch Ungarn - wieder ausgewildert werden. (red)