Energiediskurs auf derStandard.at

Die Leser/innen von derStandard.at haben im Rahmen des von Oesterreichs Energie initiierten Energiediskurses die Möglichkeit, Fragen zur Zukunft der Energieversorgung direkt an Generalsekretärin Barbara Schmidt zu stellen und sich so an der Diskussion aktiv zu beteiligen.

Die Antworten erscheinen regelmäßig auf diesen Seiten. Senden Sie ihre Fragen an energiediskurs@derStandard.at.

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Erneuerbare Energien werden in Zukunft mehr als die Hälfte der Stromversorgung in Europa ausmachen und somit den Anteil aller fossilen Brennstoffe langfristig übertreffen. Zu diesem Schluss kommt eine aktuelle Studie des Beratungsunternehmens Frontier Economics im Auftrag des Verbund. Bei allen Vorteilen in Bezug auf Klimaschutz und Ressourcenschonung stellen dieser anstehende Ausbau und die Integration der Erneuerbaren Energien in Europa allerdings auch hohe technische und ökonomische Herausforderungen für die zukünftige Stromversorgung in Europa dar, so die Studie. Wesentliche Herausforderungen - neben den Kosten der Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien - sind: Das regionale Auseinanderfallen von Erzeugung und Verbrauch. Das erfordert hohe Investitionen in die Netze. Das zeitliche Auseinanderfallen von Erzeugung und Verbrauch und die begrenzte Steuerbarkeit der Erzeugung aus Wind- oder Photovoltaikanlagen wird zudem häufigere Schwankungen des Strompreises auf dem Großhandelsmarkt sowie einen erhöhten Bedarf an Kurzfristflexibilität zur Absicherung der Netz- und Frequenzstabilität (Regelenergie) bringen.

Stromspeicher sind daher ein wichtiges Instrument für die erfolgreiche Integration der Erneuerbaren Energien und Pumpspeicher sind die kostengünstigste großtechnische Speichertechnologie. Sie vereinen, im Gegensatz zu allen anderen großtechnischen Stromspeichertechnologien moderate Investitionskosten, lange Lebensdauer und hohe Wirkungsgrade. Dies macht die Ausnutzung der verbleibenden Standortpotenziale umso wertvoller. Österreichische Pumpspeicher sollen zukünftig als „grüne Batterie" die Schwankungen der Windeinspeisung ausgleichen sowie als schnelle Regelkraftwerke zur Sicherung der Netzstabilität für Österreich und Europa zur Verfügung stehen.

Hoher Nutzen

Effiziente Pumpspeicher haben einen hohen ökologischen und ökonomischen Nutzen für Österreich und Europa: Pumpspeicher helfen, die vorhandenen Erzeugungsanlagen besser auszunutzen: Zusätzliche Pumpspeicher in Österreich (1000 MW) vermeiden bereits rund 50 GWh zeitweiser Windabschaltung pro Jahr (entspricht der Erzeugung aus 10 bis 20 Onshore-Windanlagen bzw. dem Stromverbrauch von 14.000 Haushalten im gleichen Zeitraum). In Einzelstunden kann das Abriegeln von mehreren 100 MW Windleistung vermieden werden. Durch die Integration der Erneuerbaren Energien können die Vermeidungskosten für CO2 -und vermutlich in der Folge die CO2-Preise - insgesamt gesenkt werden. Im Gegenzug könnten die frei gewordenen Mittel für eine Anpassung („Verschärfung") der politischen Zielvorgaben für den Klimaschutz verwendet werden - „mehr Klimaschutz zum gleichen Preis".

Die verbesserte Ausnutzung vorhandener Erzeugungskapazitäten senkt tendenziell nicht nur den CO2-Ausstoß, sondern auch die Produktionskosten der europäischen Stromversorgung insgesamt. Eine Preissenkung des CO2-Preises um nur wenige ct/t in Folge der ökologischen Vorteile der Pumpspeicher (z.B. der verbesserten Windintegration) senkt den Strompreis und entlastet Stromverbraucher europaweit um insgesamt rund 500 Mio. Euro (Barwert 2010) bzw. 50 Mio. Euro/a. Dies entspricht in etwa 50 % des Investitionsvolumens für den Ausbau eines 1.000 MW Pumpspeichers. Neben den ökologischen Vorteilen sind auch erhebliche ökonomische Vorteile für Österreich und Europa zu erwarten. Der Ausbau eines einzigen Pumpspeichers von rund 500 MW ist abhängig vom Standort mit einem Investitionsvolumen von rund 400 bis 550 Mio. Euro verbunden. Insbesondere während der mehrjährigen Bauphase werden hochwertige Arbeitsplätze geschaffen.

Die Investition in eine Pumpspeicherleistung von 1000 MW schaffen rund 8.000-16.000 Vollzeitäquivalente an Arbeitsplätzen in Österreich.

Erhöhte Staatseinnahmen

Die Impulse für die österreichische Volkswirtschaft haben einen zusätzlichen positiven Effekt auf die Budgetsituation, z.B. durch erhöhte Steuereinnahmen, erhöhte Einnahmen im Bereich der Sozialversicherungen sowie geringere Ausgaben für soziale Leistungen, z.B. Arbeitslosengeld. Die Erträge für die österreichische Volkswirtschaft liegen bei 1000 MW zusätzlicher Pumpleistung bei rund 185 Mio. Euro.

Hohes „Risiko-Exposure"

Pumpspeicherprojekte sind für Investoren allerdings mit einem relativ hohen Risiko behaftet. Dies liegt begründet in einer selbst für die Energiewirtschaft vergleichsweise hohen Kapitalintensität in Verbindung mit einer langen Abschreibungsdauer, der vorwiegenden Vermarktung auf Kurzfristmärkten, der Abhängigkeit der Einnahmen von stündlichen Strompreisdifferenzen und nicht dem (ggf. etwas leichter zu prognostizierenden) Strompreisniveau. Ein verzerrter Regulierungsrahmen in Mitteleuropa könnte die angedachten Pumpspeicher - und damit den vielfältigen volkswirtschaftlichen Nutzen - gefährden, schließt Frontier Economics. Neuralgische Punkte beim Vergleich der internationalen Rahmenbedingungen für Pumpspeicher sind die Netzentgelte für Pumpstrom. Pumpspeicher in Österreich zahlten Netzentgelte für Pumpstrom (Netzbereitstellungsentgelt, Netzverluste und Netznutzungsentgelt) sowie für eingespeisten Strom (Netzverluste und Systemdienstleistungsentgelt). In Summe führe dies je Lade-/Entladezyklus zu einer Belastung der Pumpspeicher von rund drei Euro pro MWh (nur variable Kosten), was im Vergleich zu einer Befreiung wie in Deutschland oder der Schweiz von diesen Entgelten die Ausnutzung und den Wert der Pumpspeicher um ca. 15 Prozent verringere. In Deutschland beispielsweise liege eine solche Befreiung für neue Pumpspeicher vor, so dass somit ein „künstlicher" Standortvorteil von 15 Prozent erzielt wird. Gleiches gelte auch für die Schweiz, in der Pumpspeicher ebenfalls keine Netzentgelte zahlen.

Grenzüberschreitende Vermarktung

Auch erlösseitig sind österreichische Pumpspeicherprojekte regulatorischen Einschränkungen unterworfen. Der Zugang zu internationalen Kurzfristmärkten (Minutenreserve, Intraday) in den Nachbarländern ist häufig nur sehr eingeschränkt möglich. So können Speicherbetreiber nicht den „vollen Wert" ihrer Anlagen realisieren, da sie beispielsweise keinen Zugang zum Intradaymarkt in Italien oder Ungarn haben (z.B. da kurzfristig keine Kuppelleitungsrechte mehr erworben werden können oder weil ausländische Übertragungsnetzbetreiber (ÜNB) die Präqualifikation der Anlagen zum Regelenergiemarkt ablehnen).

Wichtige Verbesserungen der Rahmenbedingungen sind daher laut Frontier Economics eine Harmonisierung der Netzentgelte für Pumpstrom und der Wegfall der Barrieren beim Zugang zu internationalen Kurzfristmärkten. Eine Gefahr ist auch die Förderung neuer Speichertechnologien (Druckluftspeicher, Batterien, Wasserstoffspeicher) im Ausland. Diese sollte, wenn überhaupt, zeitlich begrenzt und auf einige Demonstrationsanlagen beschränkt erfolgen. Eine teilweise im Ausland diskutierte großflächige Förderung von nicht marktreifen, dezentralen Speichertechnologien ist aus volkswirtschaftlicher Perspektive nicht sinnvoll und könnte im schlimmsten Fall effiziente Speicherprojekte im In- und Ausland gefährden.