"Eine unangenehme Frage": Von einem Jobwechsel in die Hofburg will Parlamentspräsidentin Prammer nichts wissen. "Erstens ist es noch weit hin. Zweitens ist das eine Entscheidung meiner Partei."

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Standard: Es fällt auf, dass Sie als Nationalratspräsidentin sehr sparsam Ordnungsrufe für ungehobelte Abgeordnete einsetzen. Haben Sie die Hoffnung aufgegeben, damit deren Umgangsformen zu ändern?

Prammer: Mich stört natürlich auch zum Teil die Art und Weise des Miteinanders im Parlament. Etwa, dass einzelne Abgeordnete unter der Gürtellinie argumentieren oder mit Diffamierungen operieren. Als Vorsitzende sehe ich es bei hitzigen Debatten aber als meine Hauptaufgabe, die Würde des Hauses im Auge zu behalten und auch mit anderen Mitteln Dampf herauszunehmen: mit Ermahnungen oder Sitzungsunterbrechungen. So will ich den Betreffenden die Chance geben, ihre Aussagen zurückzunehmen.

Standard: Wer sind die Übeltäter?

Prammer: Ich möchte da jetzt keine Namen nennen - weil ich mich primär als jene verstehe, die die konstruktive Mehrheit der Abgeordneten zu schützen hat.

Standard: Nun nimmt mit sechs Korruptionsaffären einer der aufwändigsten U-Ausschüsse seine Arbeit auf. Ihr Rat an die grüne Vorsitzende Gabriela Moser?

Prammer: Sich strikt an die Geschäftsordnung zu halten - und nicht inhaltlich einzugreifen. Formal ist das zwar nicht zwingend, es könnte aber freiwillig so gehandhabt werden. Heißt: Wenn die Vorsitzende sich etwa bei Zeugenbefragungen einbringen will, könnte sie die Leitung an einen ihrer Stellvertreter abgeben.

Standard: Der Bundespräsident sorgt sich, dass dieser U-Ausschuss "ein Instrument der gegenseitigen Verunglimpfung" wird. Wo läge Ihre Schmerzgrenze?

Prammer: Das ist der fünfte U-Ausschuss während meiner Amtszeit. Sollte es aber wegen Diffamierungen wieder sehr turbulent werden, würde ich es mir diesmal herausnehmen, die Fraktionsleiter im U-Ausschuss zu mir zu bitten. Es geht darum, die politischen Verantwortlichkeiten zu diversen Vorwürfen abzuklären und Schlüsse zu ziehen, welche Gesetze notwendig sind, um Missstände künftig zu verhindern. Dazu gehört es, die Arbeit zu abstrahieren und zu objektivieren.

Standard: Warum haben die Fraktionen unter Ihrer Ägide keine U-Ausschuss-Reform zustande gebracht, sodass eine unabhängige Schiedsinstanz Streits schlichtet?

Prammer: Ich habe mich in dieser Sache sehr bemüht. Aber wenn von den Fraktionen Standpunkte eingenommen werden, die als unverrückbar gelten, dann kommt es eben zu keinem Ergebnis.

Standard: Im U-Ausschuss werden sich SPÖ und ÖVP aus Koalitionsräson nicht überstimmen. Ist damit Aufklärung überhaupt möglich?

Prammer: Ich gehe davon aus, dass alle Parteien wissen, um wie viel es bei diesem U-Ausschuss geht: Nämlich, dass das Instrument kaputt ist, wenn seine Arbeit blockiert wird. Keiner Regierungsfraktion, keiner Oppositionsfraktion wäre geholfen, würde der U-Ausschuss schiefgehen - so kann nur die gesamte Politik verlieren.

Standard: Fakt ist: Kein Tagesordnungspunkt kann von der Opposition festgelegt werden, wenn sich Rot und Schwarz dagegen sperren. Dazu könnte die Aufklärung der Causen um Telekom, Buwog, Blaulichtfunk auch für die ÖVP und die Sache mit den ÖBB-Inseraten für die SPÖ unangenehm werden.

Prammer: Daran hätte die Reform nichts geändert - auch in U-Ausschüssen gilt stets die Mehrheitsfindung für Beschlüsse. Ich sehe das aber stressfrei, weil ich davon überzeugt bin, dass von den heute handelnden Personen keine ein schlechtes Gewissen zu haben braucht. Als ich einst vor den Euroteam-Ausschuss geladen wurde, war ich heilfroh, Vermutungen ausräumen zu können. Dazu legt man einen Eid ab ...

Standard: Mit Verlaub, aber ein Politiker, der korrupt ist, kommt auch bei einem Meineid wohl kaum ins Schwitzen.

Prammer: Das stimmt, aber er muss mit strafrechtlichen Konsequenzen rechnen. Dazu gibt es auch noch die Gerichte - und ich gehe davon aus, dass diese funktionieren in unserer Republik.

Standard: Was, wenn die Koalitionsparteien das Gremium wie jene zu den Banken, den Eurofightern, den Innenressort- und Spitzelaffären abwürgen wollen: Würden Sie diesmal einschreiten?

Prammer: Das könnte ich gar nicht.

Standard: Formal nicht, aber Sie könnten sehr wohl Protest einlegen.

Prammer: Es bringt wenig, dafür schon Warnungen auszusprechen. Ich glaube vorerst fest daran, dass alle Fraktionen größtes Interesse haben, die Affären aufzuklären - nicht zuletzt, weil sich schon alle Parteien mit Vorwürfen konfrontiert sehen.

Standard: Genau deswegen könnten auch Tauschgeschäfte gemacht werden: "Ihr steigt uns bei dieser Causa nicht auf die Zehen, dafür wir euch bei einer anderen nicht."

Prammer: Nein, nein und nochmals nein! Bis hin zur Opposition gibt es niemanden mehr, der sagen könnte: "Wir sind nirgends involviert!" Sogar den Grünen wird etwas unterstellt. Daher steht viel zu viel auf dem Spiel, um den U-Ausschuss nicht ernst zu nehmen.

Standard: Haben Sie eine Theorie, wie sich in der Politik ein völlig undurchschaubarer Beratersumpf bilden konnte, bei dem offenbar viel Geld abschöpft wurde?

Prammer: Beratung an sich ist ja noch nichts Schlechtes. Aber wenn künstlich Beratung inszeniert wird oder womöglich gar Geld fließt ohne Gegenleistung, sind wir mitten in der Korruption und bei Amtsmissbrauch. Bei mir im Haus hinterfrage ich fünfmal: "Brauchen wir da jetzt überhaupt eine externe Beratung? Oder müssten wir das nicht selbst bewerkstelligen?" Daher meine ich, dass alle, die mit Steuergeld hantieren, das nie vergessen sollten. Wir sind nun alle gefordert, Initiativen zu setzen, um die Abläufe transparenter zu machen.

Standard: Derzeit arbeiten einzelne Ministerien an Gesetzen gegen Korruption, doch Franz Fiedler von Transparency International bemängelt, es fehle ein großer Wurf.

Prammer:  Das ist nicht nur Sache der Ministerien. Hier herinnen muss bis Weihnachten ein Paket verhandelt werden, das die Offenlegung der Parteienfinanzierung und der Abgeordnetengehälter beinhaltet. Da geht es um keinen Einkommensstriptease, sondern um die Nebeneinkünfte, um mehr Transparenz, um eventuelle Unvereinbarkeiten festzustellen.

Standard: Weil in der Bundeshymne neben den großen Söhnen demnächst die großen Töchter vorkommen: Ist das Land auch bald reif für eine Bundespräsidentin?

Prammer: Eine unangenehme Frage. Als Frauenpolitikerin muss ich sie mit "Ja" beantworten - jedoch ohne dass daraus persönliche Schlüsse gezogen werden können.

Standard: Sie gelten als SPÖ-Kandidatin, wenn Heinz Fischers Amtszeit ausläuft. Glauben Sie nicht, dass Sie eine Chance gegen ÖVP-Favorit Erwin Pröll hätten?

Prammer: Darüber mache ich mir jetzt keine Gedanken. Erstens ist es noch weit hin. Und zweitens ist das auch eine Entscheidung meiner Partei. (Nina Weißensteiner, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 29.10.2011)