s ist durchaus nicht das erste Mal, dass vor einem neuen Iran-Bericht der Internationalen Atomenergiebehörde die rhetorische Kriegsmaschinerie hochgefahren wird und die Möglichkeit eines Militärschlags realitätsnäher als sonst diskutiert wird: Das ist im Normalfall eine nachdrückliche Einladung zu besonders scharfen diplomatischen Maßnahmen gegen Teheran - die als einziges Mittel zur Verhinderung eines Kriegs apostrophiert werden.

Auch diesmal ist dieser Hintergrund gegeben, aber atmosphärisch ist einiges anders. In einer Region, in der kein Stein auf dem anderen bleibt, mit ungewissem Ausgang, mag der Wunsch wachsen, die Entwicklung wenigstens in den Bereichen zu steuern, die man als am gefährlichsten erachtet. Und das ist nun einmal das iranische Atomprogramm - wobei sich bei dieser Einschätzung so ungleiche Länder wie Israel und Saudi-Arabien treffen.

Der Cyberangriff mit Stuxnet hat Irans Urananreicherung nur kurz aufgehalten, jetzt geht es wieder flott voran in Richtung nuklearer "breakout capability". Dazu nimmt der Iran seine sich selbst zugeteilte Rolle als Regionalmacht immer offensiver wahr, und die Hoffnungen, dass das Land nach Präsident Mahmud Ahmadi-Nejad wieder in eine pragmatischere Phase eintreten könnte, zerschlagen sich. Für manche mögen das Kriegsgründe genug sein. Aber es gehört ein gerüttelt Maß an Kaltblütigkeit dazu, in Kauf zu nehmen, was so ein Krieg alles auslösen könnte.  (DER STANDARD, Printausgabe, 4.11.2011)