Ein Werbeplakat für Urlaub im Luftkurort Abbazia aus dem Jahr 1911.

Foto: Wien Museum/wikipedia.org

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Seit den Anfängen hat sich nicht viel verändert in Opatija.

Foto: Vzach/wikipedia.org

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Opatija - Will jemand vom Zentrum Opatijas, von Slatina also, nach Volosko hinüber - oder hinunter nach Lovran -, dann hat er zwei Möglichkeiten. Motorisiert über die Hauptstraße, die belebte Ulica Marsala Tita; der weit schönere Fußweg führt aber am Meer entlang und nennt sich Obalno Setaliste Franza Josefa I.

Beide, die Marschall-Tito-Straße ebenso wie die Franz-Joseph-Strandpromenade, erzählen eine mitteleuropäische Geschichte. Jede für sich, aber zusammen auch, denn gemeinsam bilden sie ja den Ort Opatija, das alte Abbazia, das sich seit längerem anschickt, seine Geschichte mit viel Enthusiasmus und Geschick in die Zukunft zu drehen. "Wir sind stolz auf unsere Vergangenheit", sagt Neven Ivaniæ auf der Terrasse des Café Wagner, "aber man darf nicht vergessen, dass wir heute nicht 1911 haben. Sondern 2011."

Francesco Giuseppe

Neven Ivaniæ betreibt ein Übersetzerbüro, dolmetscht für den lokalen Tourismusverband und hat heuer mit einem Maler und einem Grafiker fürs Stadtmuseum eine feine Ausstellung zusammengetragen. Denn die in ganz Mitteleuropa berühmte Obalno Setaliste Franza Josefa I. - der Lungomare Francesco Giuseppe I. - feiert heuer seinen 100. Geburtstag.

Die Fertigstellung der Küstenpromenade, die seither zwölf Kilometer von Volosko nach Lovran führt, gab jenem Landstrich, den man augenzwinkernd "österreichische Riviera" genannt hat, ein Streckenmaß. Wenn Wien seinen Balkon auf dem Semmering hatte, dann seine Küste hier, am cisleithanischen Quarnero, der Kvarner Bucht, sozusagen im Vorzimmer des größten Hafens von Transleithanien, Fiume, also Rijeka.

Der Semmering und Opatija haben tatsächlich unübersehbare Gemeinsamkeiten, nämlich immerhin denselben Gründer, die Südbahn-Gesellschaft beziehungsweise deren Chef Julius Schüler. Um den Personenverkehr anzukurbeln, investierte die Eisenbahn in die Entwicklung von Fremdenverkehrsorten. Das Konzept ging auf. Abbazia entwickelte sich zum mondänen bis sehr mondänen Winterkurort, beworben von ärztlichen Kapazundern wie Theodor Billroth. 1885 schrieb er in einem "offenen Brief" an den Journalisten Eduard Hanslick etwa: "Man sagt, es gäbe hier keine Spaziergänge, unbegreiflich! Am Meere entlang die trefflichsten Straßen ..."

Geschäftsgrundlage von Abbazia war in der von Tuberkulose geplagten Zeit die "Luft-Kur", die hier besonders im Winter der heilsamen "Aerosole" wegen empfohlen wurde, die sich auf unterschiedlich steil angelegten Wegen durch eine gezielte "Terrain-Kur" ergänzen ließ. In heutiger Sprache - und darauf hat Neven Ivaniæs Verweis auf die Jahreszahl auch abgezielt - würde man das pauschal nicht Kur, sondern Wellness nennen, "und das ist ein Weg, den Opatija schon eingeschlagen hat". Freilich dürfe man, meint er, die ernstzunehmenden Kuranstalten dabei nicht übersehen. Etwa das "Thalassotherapeutische Institut", ein riesiger Gebäudekomplex an der Marschall-Tito-Straße. Hierher schickt etwa auch die österreichische Auva seit den 1960er-Jahren Rehabilitationspatienten zur speziellen Meerwasserbehandlung.
Freie Küste

Alle, Kur- genauso wie Wellnessgäste, zieht es klarerweise wie magisch in und auf den nunmehr 100-jährigen Lungomare, der des alten Kaisers Namen trägt, aber für die Stadt weit mehr ist als eine kitschige Beschwörung. "Wo", fragt Neven Ivaniæ, "gibt es so viel frei zugängliche Meeresküste?"

Das sei, meint der STANDARD, von der Wagner-Terrasse dorthin blickend, wo der Kaiser-Weg mit der Marschall-Straße den Slatina-Platz bilden, wohl eher das jugoslawische Erbe. "Durchaus", erwidert Ivaniæ, aber durch den Lungomare, quasi das Herzstück Opatijas, sei es wenn schon nicht einfach, so doch einfacher, die Privatstrand-Begehrlichkeiten der Hotelinvestoren abzuwehren.

Und die habe es durchaus gegeben, auch hier. Was das betrifft, so wurde das Schicksal Opatijas also wieder einmal - quasi zumindest - nördlich der Karawanken entschieden. Neven Ivcaniæ lächelt. Er hat in Klagenfurt studiert. Aber nicht nur deshalb kennt er den Namen Hypo Alpe Adria, deren Wahnwitz-Kelch an Opatija vorläufig einmal vorübergegangen zu sein scheint. (Wolfgang Weisgram/DER STANDARD/Crossover/08.11.2011)