Warschau - Der polnische Ministerpräsident Donald Tusk hat am Dienstag den Auftrag zu einer erneuten Regierungsbildung bekommen. Präsident Bronislaw Komorowski hatte zuvor den Rücktritt von Tusk entgegengenommen, den dieser gemäß der Verfassung während der konstituierenden Sitzung des neuen Parlaments erklärte. Er regiert zwischenzeitlich kommissarisch. Mit Ewa Kopacz wählte das Unterhaus Sejm zum ersten Mal eine Frau zu seiner Präsidentin.

"Ich sehe die Bilanz der vergangenen vier Regierungsjahre, die nicht einfach waren, absolut positiv", erklärte Komorowski, der aus Tusks rechtsliberaler "Bürgerplattform" (PO) stammt. Gleichzeitig forderte das Staatsoberhaupt den designierten Regierungschef dazu auf, "mutige Entscheidungen" zu fällen. Am Vormittag im Parlament hatte Komorowski soziale Reformen verlangt, etwa die schrittweise Anhebung des Pensionsalters. Außerdem appellierte er an die Fraktionen zu kooperieren. "Der polnisch-polnische Krieg erschwert die Suche nach den besten Lösungen", so das Staatsoberhaupt.

Tusk betonte während des Festaktes beim Präsidenten, das bei der Wahl im Oktober zum ersten Mal in der polnischen Geschichte seit 1989 eine Regierung bestätigt worden sei. "Umso größer ist die Herausforderung und die Verantwortung", erklärte Tusk. Der PO-Vorsitzende hat nun zwei Wochen Zeit, um dem Präsidenten sein Kabinett vorzustellen. Innerhalb von weiteren 14 Tagen entscheidet das Parlament, ob es Tusk das Vertrauen ausspricht. Die Fortsetzung der Regierungskoalition der PO mit der Bauernpartei PSL gilt indes als sicher, die Parteien haben eine Mehrheit von fünf Stimmen im 460 Sitze zählenden Unterhaus.

Opferliste

Die Debatte vor der Wahl von Ewa Kopacz (PO) zur neuen Parlamentspräsidentin verlief am Dienstag hitzig. Ludwik Dorn erklärte für die Fraktion der größten Oppositionspartei, der rechtskonservativen "Recht und Gerechtigkeit" (PiS), die einzige Qualifikation der ehemaligen Gesundheitsministerin bestehe darin, dass sie eine Frau sei. Dorns Rede wurde deshalb von Zwischenrufen unterbrochen, die ihm "Chauvinismus" vorwarfen. Malgorzata Gosiewska, neue Abgeordnete der PiS, las in ihrem Wortbeitrag die Liste der Menschen vor, die beim Absturz einer Regierungsmaschine im vergangenen Jahr im russischen Smolensk ums Leben gekommen waren. Ewa Kopacz habe damals nicht die Wahrheit gesagt, als sie erklärte, polnische Ärzte seien an der Untersuchung der Leichen beteiligt gewesen, so Gosiewska, die Witwe eines der Opfer ist.

Die Ex-Ministerin ging auf die Vorwürfe nicht ein. "Denken wir daran, dass wir nicht uns, sondern allen Polen und Polinnen dienen sollen, dank derer wir hier sind", erklärte sie. Bei der Abstimmung hatten 300 Abgeordnete für sie gestimmt, auf den Kandidaten Marek Kuchcinski von der PiS entfielen 150 Stimmen.

Am späten Nachmittag begann außerdem die erste Sitzung des Oberhauses Senat, in dem die PO über die absolute Mehrheit der Stimmen verfügt. Es wird erwartet, dass Bogdan Borusewicz (PO) in seinem Amt als Vorsitzender bestätigt wird.  (APA)