Laufkäfer wie dieser gehen gern auf Schlupfwespenjagd. Sie sind nicht unwesentliche Nebendarsteller in dem Krimi, der sich auf den Feldern abspielt. Neben den schädlichen Blattläusen gehört die Schlupfwespe als Verbündete der Öko-Landwirte zu den Protagonisten.

Foto: Traugott

Als Blattlaus möchte man wahrlich nicht geboren werden. Das Leben dieser trägen, wehrlosen Tierchen ist kurz und endet oft grausam. Vor allem räuberische Insekten vertilgen unzählige von ihnen, saugen sie aus oder zerlegen sie bei lebendigem Leibe mit ihren kauenden Kiefern. Die Blattläuse reagieren auf diese ständige Verfolgung mit Massenvermehrung. Um möglichst rasch möglichst viele Nachkommen zu produzieren, pflanzen sich die Weibchen der ersten Generationen eines Jahres ungeschlechtlich fort. Durch Jungfernzeugung bringen diese lebendgebärenden Stammmütter jeweils bis zu 400 Töchter zur Welt, die sich auch ihrerseits wieder asexuell vermehren.

Die Folgen sind allgemein bekannt. In kürzester Zeit können Feldfrüchte genauso wie die Rosen im Garten von Heerscharen durstiger Blattläuse befallen werden. Die Winzlinge stechen die Gewächse mit ihren Rüsseln an, laben sich ausgiebig an den Pflanzensäften, und richten so oft verheerende Schäden an. Zum Leidwesen von Bauern und Gärtnern. Die Giftspritze kann Abhilfe schaffen, doch es geht auch anders. Biologische Schädlingsbekämpfung setzt auf die natürlichen Feinde der Plagegeister. Ein faszinierendes Konzept.

Zu den wichtigsten Verbündeten der Öko-Landwirte gehören sogenannte parasitoide Schlupfwespen. Die Hautflügler sind meist winzig, nur wenige Millimeter lang, doch unter Fachleuten als echte Killer bekannt. Der Hintergrund: Die Schlupfwespenlarven benötigen für ihre Entwicklung fleischliche Kost. Zur Versorgung des Parasitoidennachwuchses mit reichlich solcher Nahrung hat die Evolution einen raffinierten Trick hervorgebracht. Schlupfwespenweibchen verfügen über einen speziellen Bohrer, womit sie ihre Eier direkt in anderen Insekten oder deren Eiern ablegen. Auch in Blattläusen.

Sobald die Larven der Parasitoiden schlüpfen, beginnt das große Fressen. Ihr Wirt wird bei lebendigem Leibe verzehrt, von innen heraus. Am Ende bleibt bei Blattläusen nur eine Mumie übrig. Darin reift, jetzt als Puppe, die junge Schlupfwespe zum erwachsenen Tier heran. Diese "Imagines" sind allerdings keine Räuber und verfolgen einen eher beschaulichen Lebensstil. "Sie sitzen oft in der Vegetation herum und schlecken Zuckersäfte", erklärt der Biologe Michael Traugott von der Universität Innsbruck im Gespräch mit dem Standard. Besonders gute Flieger seien die ausgewachsenen Parasitoiden auch nicht. Und das hat offenbar Nachteile.

Michael Traugott ist Agrarökologieexperte und erforscht mit seinem Team unter anderem die komplexen Räuber-Beute-Verhältnisse in der Insektenwelt, was für die biologische Schädlingsbekämpfung von entscheidender Bedeutung ist. Vor allem in Gewächshäusern werden vorher gezüchtete Schlupfwespen seit Jahrzehnten mit großem Erfolg gegen allerlei Plagen eingesetzt.

Hier sind die Ergebnisse solcher Maßnahmen leicht vorhersehbar. "Im Glashaus hat man nicht 60 verschiedene Räuberarten", betont Traugott. Ganz anders ist die Lage in Freilandkulturen. In der Natur fallen die Parasitoiden leicht selbst Prädatoren zum Opfer - viel öfter, als bisher vermutet wurde, wie eine neue Studie zeigt.

Störfaktoren im Freiland

Wer wen frisst, lässt sich bei diesen Kleinkreaturen kaum durch direkte Beobachtung klären. Dementsprechend schleierhaft ist, welche Rolle wildlebende Wirbellose als mögliche Störfaktoren in der biologischen Schädlingsbekämpfung spielen. Denn sie verspeisen mitunter nicht nur Schädlinge, sondern auch deren Bekämpfer. "Diese Dinge sind noch nie im Freiland untersucht worden, weil bisher die Methoden fehlten", sagt Traugott.

Das hat sich geändert. Zusammen mit österreichischen und britischen Kollegen ist es Traugott gelungen, mit molekulargenetischen Methoden einen erstaunlichen Einblick in die Nahrungsökologie von Schlupfwespen und deren Feinden zu erlangen. Auf einem Versuchsweizenfeld in der englischen Grafschaft Warwickshire sammelten die Forscher Blattläuse sowie Exemplare mehrerer Raubkäfer- und Spinnen-Spezies ein. Anschließend wurde im Labor getestet, was die Prädatoren gefressen hatten - durch DNA-Analyse derer Darminhalte. Zusätzlich untersuchte man den Befall der Blattläuse mit Parasitoidenlarven.

Die Ergebnisse, die neulich vom Fachjournal Bulletin of Entomological Research online veröffentlicht wurden, zeigen: Nicht nur Spinnen, auch Käfern fallen offensichtlich zahlreiche Schlupfwespen zum Opfer. Bis zu 17,4 Prozent der untersuchten Käfer hatten im Studienzeitraum Parasitoiden-DNA im Verdauungstrakt. Die Häufigkeiten schwankten allerdings je nach Woche. Zwei Arten, die Laufkäfer Trechus quadristriatus und Notiophilus biguttatus, tun sich als besonders erfolgreiche Schlupfwespenjäger hervor. "Die sind sehr flink", meint Michael Traugott.

Fressdruck durch Feinde

Es werden jedoch nicht nur erwachsene Parasitoiden gefressen. Die Raubinsekten und Spinnen verzehren schließlich auch große Mengen an Blattläusen - mitsamt eventuell bereits in ihnen lebenden Schlupfwespenlarven. In mehr als der Hälfte der Fälle fanden die Wissenschafter gleichwohl nur Parasitoidenerbgut in den Raubtieren, ohne Spuren von Blattlaus-DNA. "Ein überraschendes Ergebnis, da man bisher angenommen hat, dass sich die Räuber kaum für die adulten Schlupfwespen interessieren", sagt Traugott.

Der Fressdruck der Fleischfresser kann die Schädlingsbekämpfungsleistung der Parasitoiden wesentlich verringern, glauben die Wissenschafter. Solche Wechselwirkungen müssen zukünftig besser berücksichtigt werden, um die Effizienz von biologischen Pflanzenschutzmaßnahmen zu verbessern. Ein neues, vom Wissenschaftsfonds FWF gefördertes Projekt soll mithilfe von molekulargenetischen Methoden die Datenlage verbessern. Keine leichte Aufgabe.

Es gibt auch Schlupfwespen, die sich gegenseitig das Leben schwermachen. Normalerweise injizieren Parasitoidenweibchen in jede Blattlaus nur ein einziges Ei. Manchmal jedoch wird ein Wirt von Vertreterinnen zweier oder gar dreier Arten heimgesucht. Im Inneren der Blattlaus schlüpfen dann ebenso viele Larven. Aber es kann nur eine geben. Die Evolution hat den Schlupfwespennachwuchs für solche Fälle mit speziellen Mundwerkzeugen, den Kampfmandibeln, ausgerüstet. Nur der Sieger überlebt. (Kurt de Swaaf/DER STANDARD, Printausgabe, 9. 11. 2011)