Hannes Androsch hat allen Grund enttäuscht zu sein. Von den 90 Prozent Zustimmung zu seinem Bildungsvolksbegehren, von denen er in einem Tagtraum gefiebert hatte, ist er weit entfernt: 6,1 Prozent. Das Volksbegehren ist mit 383.820 Stimmen im Mittelfeld gelandet. Ein Riesenerfolg ist das nicht.

Bevor das große Jammern ausbricht, muss man aber ein oder zwei sehr positive Punkte herausheben. Androsch und seine Unterstützer haben es mit dieser Initiative geschafft, dass Bildung wieder diskutiert wird, dass sich viele Leute, auch manche Politiker, konstruktiv mit dem Thema auseinandersetzen, dass ganz grundsätzlich über Kindergarten, Schule und Universität gesprochen wird. Dass Fehler benannt wurden, dass Chancen erkannt wurden, wenigstens theoretisch, dass im konstruktiven Sinne fantasiert wurde, was sein könnte.

Was noch ganz positiv aufgefallen ist: wie viele Leute sich engagiert haben, freiwillig und aus Überzeugung. Und nicht nur solche, deren Beruf es ist, sich mit der Thematik auseinanderzusetzen, also etwa Lehrer, Journalisten oder Politiker.

Auch andere haben sich engagiert, nämlich Mütter und Väter, die mitunter über leidvolle Erfahrung aus eigenem Erleben verfügen - und dann vor der Schule oder dem Kindergarten stehen und sich mit anderen Eltern austauschen. Da war nicht nur ein leises Verzweifeln und die handelsübliche Resignation zu spüren, da gab es auch ehrliche Empörung, so etwas wie eine Aufbruchsstimmung: Tu ma was! Ein Antrieb aus der Empörung. Jetzt unterschreiben wir einmal.

Mag sein, dass das nicht genug war. Dass alles nichts geholfen hat und hilft. Dass wir jetzt wieder zum politischen Alltag zurückkehren und in diesem versinken.

Die Österreicher sind gelernte Pessimisten. Sie wurden dazu erzogen. Leitspruch: Hilft eh nix. Wenn das Volk etwas außertourlich begehrt, ist das der Politik üblicherweise nicht recht: Dieses Mitredenwollen wird als ungebührliche Einmischung gesehen. Die Ergebnisse der bisherigen Volksbegehren waren der Politik meistens auch ziemlich egal. Sie wurden höflich ignoriert: Ein bisschen im Parlament behandelt, ein paar Wortspenden der Regierungsspitze - das war's dann, ehe die Anliegen in einem Ausschuss schubladisiert wurden. Damit ist auch das Vertrauen der Bürger, von der Politik ernst genommen zu werden, stetig gesunken: Hilft eh nix.

Wird es diesmal anders werden?

Die beharrenden Kräfte haben immer noch die Oberhand. Die Regierung zeichnet sich durch Mutlosigkeit aus, und die Bildungspolitik ist immer noch das ideologische Schlachtfeld mit parteipolitischen Schützengräben, die tief in die Erde gegraben sind. Da bewegt sich nichts. Der Kanzler hat weder den Anspruch noch den Willen, etwas zu verändern. Es fehlt ihm die Überzeugungskraft. Diese Hilflosigkeit trägt er wie eine Monstranz vor sich her. Werner Faymann ist der Verwalter, nicht der Gestalter. Und mit Michael Spindelegger hat er einen kongenialen Partner zur Seite.

Umso mehr gilt: Diese Regierung braucht den Druck der Bürger, sie muss den Eifer und das Engagement jener Menschen spüren, denen nicht alles egal ist. Immer wieder. Wer einen Anspruch an die Politik hat, muss diesen auch einfordern. Sonst versandet alles im Stillstand. Und auch aus diesem Grund ist Hannes Androsch zu danken: Verzagen gilt nicht.  (DER STANDARD; Printausgabe, 11.11.2011)