Globigerina, ein einzelliger Organismus, dessen Kalkschalen vom früheren Klima zeugen.

Foto: Grunert

Buchstäblich tiefgründige Fragen zur Klimavergangenheit möchte ein internationales Forscherteam beantworten, das vor wenigen Tagen in See gestochen ist. Die aktuelle Expedition des Integrated Ocean Drilling Program (IODP) führt bis in die Erdkruste unter dem Meeresgrund. Anhand von Bohrkernen wollen die Wissenschafter mehr über Struktur und Geschichte der Erde erfahren.

Erstmals mit an Bord des Schiffes "Joides Resolution" ist ein Österreicher: Patrick Grunert, Paläobiologe an der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW) und am Institut für Erdwissenschaften der Universität Graz, wird gemeinsam mit einem 30-köpfigen Team südwestlich der iberischen Halbinsel im Atlantik Tiefseebohrungen durchführen.

Während der achtwöchigen Expedition gehen die Forscher der Bedeutung der Straße von Gibraltar für das Klima auf den Grund. Vor 5,2 Millionen Jahren löste sich die iberische Halbinsel vom afrikanischen Kontinent, es entstand die Verbindung vom Mittelmeer zum Atlantischen Ozean.

Veränderte Meeresströmung 

"Das ausströmende salzreiche Mittelmeerwasser hat die Meeresströmungen im Atlantik massiv verändert. Ob dadurch Klimaveränderungen beeinflusst wurden, untersuchen wir im Rahmen unserer Expedition", erläutert Grunert. Erkenntnisse darüber, was sich im Pliozän (vor 5,3 bis 2,6 Millionen Jahren) abspielte, könnte auch Aufschlüsse über aktuell prognostizierte Klimaveränderungen geben. Denn auch damals gingen hohe CO2-Konzentrationen mit einem Temperaturanstieg einher. Was die Erwärmung und die spätere Abkühlung ausgelöst haben, ist noch ungeklärt. Grunert erhofft sich jedenfalls Einblicke in den Zusammenhang von Meeresströmung und Klimaveränderung.

"Mich interessieren Foraminiferen. Diese sind einzellige Organismen, die zahlreiche marine Lebensräume erobert haben und fossil erhaltungsfähige Gehäuse bilden können. Ihre Verbreitungsmuster sowie die geochemische Zusammensetzung ihrer Kalkschalen geben Informationen über frühere Umweltbedingungen", sagt der Mikropaläontologe.

Aus Bohrkernen, die das Forschungsschiff aus einer Tiefe von 2600 Metern ziehen wird, soll "einzigartiges Probenmaterial" gewonnen werden. Erste Untersuchungen können bereits in den Hightech-Labors der Joides durchgeführt werden, weitere Analysen erfolgen an Land.

Das IODP besteht seit 2003 und wird vom japanischen Bildungsministerium, der US-amerikanischen National Science Foundation sowie einem europäischen Konsortium finanziert. Österreich nimmt bereits seit 2004 am Programm teil, bisher jedoch ohne personelle Beteiligung. Den Mitgliedsbeitrag von rund 75.000 Euro teilen sich ÖAW und der Wissenschaftsfonds FWF. (kri/DER STANDARD, Printausgabe, 23.11.2011)