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Erste Besucher in der Hans-Hollein-Ausstellung. Ein Witz unter Künstlern gehe so, erzählt Weibel: "Haben Sie meine letzte Ausstellung schon gelesen?"

Foto: APA/MARKUS LEODOLTER

Kuratiert hat sie Peter Weibel, dessen Abgang aus Graz Schatten auf die Eröffnung wirft.

Graz - Es konnte nicht genug Licht durch die großzügigen Glastrichter in den neuen unterirdischen Teil des Joanneum-Viertels fließen: Auf dem Podium im Besucherzentrum der ansprechenden Architektur von Enrique Sobejano blieb die Stimmung düster. Kulturlandesrat Christian Buchmann (VP) und der Intendant des Universalmuseums Joanneum, Peter Pakesch, begrüßten die internationalen Medien, die gekommen waren, um die drei Großausstellungen zu sehen, mit denen das neue Museumsviertel von Graz am Samstag eröffnet wird, noch gefasst.

Doch als Peter Weibel, der scheidende Chefkurator der Neuen Galerie, die nun im neu geordneten Museumskomplex aufgehen wird, am Wort war, war der Konflikt zwischen Weibel und Pakesch nicht mehr zu verbergen. "Unsere Arbeit wird hier nicht geschätzt", meinte Weibel in einem von vielen Seitenhieben, als er erzählte, wie er und die frühere Leiterin der Neuen Galerie, Christa Steinle, die Ausstellung Moderne - Selbstmord der Kunst aus dem Boden gestampft hatten. Steinles Kündigung durch Pakesch hatte den Streit zwischen Weibel und Pakesch vor einigen Monaten eskalieren lassen - der Standard berichtete. Während man im Kunsthaus von Peter Pakesch bloß eine Schau vom Museum in Winterthur übernommen habe (die Foto- und Videoarbeiten von Ai Weiwei, Anm.), habe er auch das Bruseum (gemeinsam mit Anke Orgel) und die große Hans-Hollein-Personale selbst "mit hauseigenen Mitteln" erarbeitet, ätzte Weibel. Pakesch nahm die Attacken, die sich während des Rundgangs durch alle drei Ausstellungen wiederholten, reaktionslos hin. Die heutige Teileröffnung des Joanneum-Viertels (das Naturkundemuseum wird 2013 fertig) sei jedenfalls "ein großer Moment", so Pakesch.

Auch dass Weibel bei den offiziellen Eröffnungen am Samstag nicht als Redner vorgesehen war, kränkte den Polyartisten und Kurator. Schon am Eingang zum Pressegespräch hatte sich diese Kränkung in einer Protestaktion einiger Künstler mit Fähnchen, auf denen "ausgesperrt" zu lesen war, manifestiert.

Kränkungen und Brüche

Doch zurück zum Wesentlichen: zur Kunst. Es wäre schade, würden diese drei reichhaltigen und klug umgesetzten Abschiedsarbeiten Weibels in Graz, die räumlich in einanderfließen, in den Hintergrund rücken. In der Moderne-Schau führt Weibel konsequent den Bruch in der Kunstgeschichte vor, der entstand, als Kunst aufhörte, Realität abzubilden, und begann, sich selbst zu thematisieren. Ein Bruch, der radikaler gewesen sei als die Einführung der Abstraktion. Aus der großteils von Weibel und Steinle über Jahrzehnte zusammengetragenen Sammlung sowie der alten Sammlung des 200-jährigen Museums wurden dazu Paare zusammengestellt, die für beide Seiten dieser Bruchlinie stehen: etwa das Stilleben mit Roastbeef von Edmund Pick-Morino (1920) und echtes Fleisch in der Arbeit Sausages II (1983) von Damien Hirst. Oder ein gemalter Wasserfall von Thomas Ender (1830) und jener künstliche Wasserfall von Olafur Eliasson, der 1998 im Innenhof der einstigen Neuen Galerie stand.

"Hiermit erkläre ich, dass Hans Hollein Künstler ist." Unterzeichnet ist diese Erklärung vom 17. Juli 1974 von Joseph Beuys. Und sie ist Peter Weibel ein Kleinod, erzählt doch seine mit Günther Holler-Schuster kuratierte Hollein-Schau ausführlich vom Zwitterwesen des Architekten und Künstlers, der den Raum in der Horizontalen und Vertikalen eroberte. Die Installation Goldenes Kalb, ein Zugwaggon, den Hollein in den 1990er-Jahren für die Kulturhauptstadt Genua schuf, steht vor dem früheren Haupteingang des Museums in der Neutorgasse. Drinnen findet man hunderte Entwürfe und Modelle Holleins, die zum Teil längst Architekturdenkmäler sind. Ein ganzer Raum ist auch der utopischen Architektur Holleins gewidmet, in der sich die Grenze zur Kunst vollends auflöst.

Mit dem Bruseum wurde der Vorlass von Günter Brus, dem "Begründer der Bodyart" (Weibel), der Vielseitigkeit des Zeichners, Malers, Literaten und Aktionisten Brus, gerecht werdend aufgearbeitet. Fotos und Filme von weltberühmten Aktionen wie den Selbstverletzungen finden sich hier ebenso wie die erste Ausgabe des Druckwerks Irrwisch von 1971. Weibel begrüßte, dass der gebürtige Steirer Brus, der nach bewegten Jahren, u. a. im Exil in Berlin, seit Jahrzehnten wieder in der Steiermark lebt, nun hier gewürdigt werde.

Brus selbst schien glücklich beim Gang durch das Bruseum, merkte aber an, dass eine "Metternich'sche Sittenpolizei" in Graz unterwegs sei, die seine Arbeiten "auf Pornografie untersucht" habe. Brus verwundert über den Kontrollgang, der für Schülerführungen gedacht war: "Das habe ich nirgendwo auf der Welt erlebt, nicht einmal in Amerika." (Colette M. Schmidt, DER STANDARD - Printausgabe, 26./27. November 2011)