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Verzetnitsch am Wienerberg.

foto: apa/jaeger
Wien - Auf der Straße, in der Lagerhalle, im Speisesaal - ÖGB-Präsident Fritz Verzetnitsch hat am Dienstag anlässlich des Streiktages knapp zehn Gewerkschafts-Veranstaltungen in Wien und Schwechat besucht. In einer ersten Zwischenbilanz zeigte er sich zufrieden mit den Aktionen. Konkrete Angaben zur weiteren Vorgangsweise der Gewerkschaften wollte er sich aber für eine Pressekonferenz am Abend aufheben.

Die Aktionen hätten seinen Erwartungen entsprochen, weil sie auch ein Zeichen dafür seien, dass er mit seiner Politik richtig liege. Zu radikaleren Aktionen, etwa dem Abschalten des Stromes oder dem völligen Stilllegen und Blockieren des Verkehrs habe man aus Verantwortungsbewusstsein nicht gegriffen.

Flughafen

Begonnen hat der Präsident mit seiner Streik-Tour bereits um 7 Uhr früh bei der Zufahrt zum Flughafen Schwechat. Mediengerecht fuhr er bei den streikenden Mitarbeitern des Airports im Motorroller vor. Zurück in Wien, trat er auf der blockierten Wienerbergstraße vor mehreren 100 Mitarbeitern der Gebietskrankenkasse, von ABB, Ankerbrot, Teerag-Asdag und Porr auf. Es geht um "Würde im Alter" rief er ihnen zu, mit einem "Schmerzgrenzenbonus" von zehn Prozent wolle man sich nicht abspeisen lassen.

Nur unweit die nächste Station: Im Verladebereich des Coca Cola-Werkes hatte die Belegschaft an Biertischen Platz genommen. Der Betriebsratschef berichtete dem Präsidenten stolz von einem einstimmigen Streikbeschluss. Freundlich begrüßt wurde der Präsident auch von einer Sprecherin des Unternehmens, die auch für die Versorgung des Journalistentrosses von Verzetnitsch mit hauseigenen Getränken sorgte. Man habe ein gutes Einvernehmen mit der Belegschaft, sagte sie. Zu den wirtschaftlichen Schäden durch den Streik könne sie noch keine Angaben machen.

"Es geht uns um die Lebensstandardsicherung"

Mehrere hundert Menschen - diesmal Mitarbeiter von Banken und Versicherungen - hatten sich auch Am Hof in der Wiener City versammelt. "Hätten diese Runden Tische stattgefunden, hätte es nicht die Proteste der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer gegeben", rechtfertigte er mit einer Frage die Protestaktionen. Und: "Es geht uns um die Lebensstandardsicherung."

Hafen

Bei der Zufahrt zum Wiener Hafen, der nächsten Station, mussten Verzetnitsch im Dienst-BMW und die ihn begleitenden Journalisten im Reisebus eine Schlange wartender Lkw passieren, für die es am Dienstag keine Abfertigung gab. Die Fahrer hätten weitgehend aber Verständnis, so Arbeiterbetriebsrat Anton Hagl. Der Betriebsrat hatte für die Belegschaft, die vor der Einfahrt an Biertischen Platz genommen hatte, ein am üblichen Arbeitstag orientiertes Informationsprogramm vorbereitet - die Pausen mit eingeplant.

"Wir nehmen Euch das Weiße aus den Augen, ..."

Der Präsident nahm sich hier Zeit, auf die Fragen der Arbeiter konkret einzugehen. "Wird wirklich verhandelt, kann man noch reden", interessierte sich einer für die Stimmung am "Runden Tisch". "Reden kann man immer", so der Präsident. Wenn man aber immer im Kreis geschickt werde, sei es besser aufzustehen. Eine "Häkelei" seien auch die unterschiedlichen zeitlichen Vorgaben für eine Schwerarbeiterregelung. Wenn der Beschluss der Pensionsreform trotzdem komme, wolle man "alle demokratischen Möglichkeiten ausschöpfen", versprach der Präsident. "Das rennt nach dem Motto 'Wir nehmen Euch das Weiße aus den Augen, dann könnt's uns blind vertrauen'", kommentierte ein Arbeiter im weißen T-Shirt.

Bier

Vor einer Lagerhalle der Schwechater Brauerei wurde Verzetnitsch dann auch wieder von Angehörigen der Unternehmensleitung mit Händeschütteln begrüßt. Man habe Verständnis für die Sorgen der Belegschaft, man wolle ja auch selbst einmal eine Pension, hieß es. Umgekehrt treffe der Streik den Betrieb aber mitten in der Hochsaison: 60.000 Dosen pro Stunde könnten nicht abgefüllt werden, 100 Lkw in der Ostregion keine Waren ausliefern.

Kraftwerk Simmering

"Wir nehmen demokratische Mehrheiten im Parlament zur Kenntnis. Das heißt aber nicht, dass wir anerkennen, welche Politik dort gemacht wird", rief Verzetnitsch schließlich im Kraftwerk Simmering mehreren hundert Mitarbeitern der Wiener Stadtwerke zu. Die Antwort kam prompt: "Wenn Du uns brauchst: Diese große Gruppe steht hinter Dir und wir werden der Regierung zeigen, dass es auch Gerechtigkeit geben muss", gab sich ein Sprecher kämpferisch.

Siemens

Gegenüber den Siemens-Mitarbeitern, die sich im Speisesaal des Werkes in Wien-Erdberg versammelt hatten, bekräftigte der Präsident dann noch ein weiteres Mal, dass es sich bei der ÖGB-Aktion nicht um einen politischen Streik handle. Einen solchen habe es am Dienstag nur zu Mittag gegeben, als zehn ÖVP-Anhänger vor der ÖGB-Zentrale gegen die Streiks demonstrierten.

Neugebauer: : "Pensionsreform muss breite Zustimmung haben"

Es war geradezu symbolträchtig: GÖD-Chef Fritz Neugebauer nahm am Dienstag anlässlich eines Besuches bei der Polizei auf dem Flughafen Wien in Schwechat zunächst an einem "runden Tisch" Platz. Das Vertrauen der Bevölkerung in die innere Sicherheit dürfe nicht verloren gehen, sagte er.

Vor Beamten der Bundespolizeidirektion Schwechat führte Neugebauer anschließend aus, dass die Pensionsreform ein wichtiges Thema sei, das auch auf positiven Grundkonsens in der Bevölkerung stoße, in der angegangenen Methode jedoch "völlig vergurkt" worden sei. 20 bis 40 Prozent weniger an Pensionen im Öffentlichen Dienst seien "keine Perspektive".

"Eine Pensionsreform muss breite Zustimmung in der Bevölkerung haben", sagte der GÖD-Chef. Die Regierung wäre "gut beraten, morgen an den Verhandlungstisch zurückzukehren". Es dürfe nicht sein, dass "speed kills" in der Politik "fröhliche Urständ" feiere.

Neugebauer merkte auch an, dass innere Sicherheit "einer der Wirtschaftsstandort-Faktoren" sei. In diesem Bereich zu sparen, wäre der falsche Weg. "Daher artikulieren wir uns." Zum Streiktag allgemein sagte der GÖD-Chef, die ersten Stunden hätten gezeigt, "dass wir eine sehr reife Demokratie sind".

Sallmutter hätte sich mehr öffentliche Aktionen gewünscht

Hans Sallmutter, Vorsitzender der Gewerkschaft der Privatangestellten, zog am Dienstagvormittag vor Journalisten eine gemischte Bilanz über den ÖGB-Streiktag. "Wir haben so viele Aktionen wie noch nie", freute er sich einerseits, "es funktioniert trotz Gegendruck und großen Schwierigkeiten". Andererseits habe sich die Zurückhaltung bei öffentlichen Veranstaltungen aber "ganz offensichtlich nicht bewährt".

Der GPA-Vorsitzende räumte zwar ein, dass Streiks in die Betriebe gehörten. Dies sei auch das Ziel des Aktionstages gewesen. Jedoch: "Was nicht auf der Straße stattfindet, findet nicht statt."

Konkret verwies Sallmutter darauf, dass aus Rücksicht auf die Verkehrssituation die geplante Blockade der Wiener Nordbrücke abgesagt worden sei. Zum Teil sei die Zurückhaltung aber auch von außen auferlegt worden, wenn etwa die Polizei die Sperre der Triesterstraße an der Wiener Südeinfahrt untersagt habe.

Insgesamt ist für Sallmutter klar: "Man muss Mischformen finden." (APA)