Aus einem alten Werbespot für die "Lange nach der Forschung". Trotz aller PR-Bemühungen scheint Herrn und Frau Österreicher die Forschung recht egal zu sein.

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Alexander Bogner: "Der Wissenschafter von morgen ist Manager, Mediator, Beziehungsarbeiter - und nebenbei forscht er vielleicht auch noch ein bisschen."

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STANDARD: In den vergangenen zehn Jahren gab es in Österreich eine Vielzahl von Initiativen, um die Wissenschaft zur Bevölkerung zu bringen - wie etwa die lange Nacht der Forschung. Wie und warum kam es eigentlich dazu?

Bogner: Noch vor 40, 50 Jahren traute man der Wissenschaft alles zu: Innovationen, Wachstum, Wohlstand. Ansonsten blieb die Gesellschaft in respektvoller Distanz zur ihr. Das hat sich radikal geändert. Respektlose Fragen sind an der Tagesordnung: Ist das, was geforscht wird, überhaupt relevant? Ermöglicht sie Innovationen? Die Gesellschaft rückt der Wissenschaft auf den Leib. Denn der Vertrauensvorschuss für die Wissenschaft ist aufgebraucht.

STANDARD: Was sind die Folgen dieses Vertrauensverlusts?

Bogner: Die Wissenschaft wird auf den Laufsteg gezwungen. Bürger, Politiker und Financiers sitzen im Publikum und schauen den Wissenschaftern zu, wie sie sich abmühen, ihre Forschung in medienwirksamen Kurz- und Frohbotschaften zu vermarkten. Deswegen haben wir heute die lange Nächte der Forschung und andere Formate: Science-Festivals, Kinder-Unis, Wissenschaftsausstellungen an Bahnhöfen und auf eigens dafür präparierten Binnenfrachtschiffen - und vieles mehr.

STANDARD: Ist das nicht auch ein Fortschritt, dass die Forscher den Elfenbeinturm verlassen müssen?

Bogner: Ja - sofern es um Dialoge mit der Gesellschaft geht. Noch vor zehn oder 15 Jahren beschränkte sich die Wissenschaft auf Monologe. Man glaubte, dass die Wissenschafts- und Technikskepsis durch Unwissen begründet war und wollte mit einer Informationslawine Abhilfe schaffen. Die frühe Wissenschaftskommunikation war deshalb als eine Art Volkshochschulkurs über die Errungenschaften der Wissenschaft konzipiert. Dieses Einbahnstraßenmodell gilt als überholt, daher die gegenwärtige Dialogoffensive: Der Bürger soll in Sachen Forschung eine Stimme bekommen.

STANDARD: Wie würden Sie den Erfolg dieser Initiativen einschätzen?

Bogner: Umfragen zeigen, dass ausgerechnet der interessanteste Teil der Wissenschaft - die Grundlagenforschung - in Österreich eine vergleichsweise geringe Wertschätzung erfährt. Wissenschaft scheint vielen Österreichern "einfach wurscht" zu sein. Ob sich dieses Problem durch Dialogangebote seitens der Wissenschaft beheben lässt, ist zumindest fraglich.

STANDARD: Warum funktioniert das ausgerechnet in Österreich so schlecht?

Bogner: Wenn man so wie Österreich extrem begnadet ist für das Schöne, dann kann sich schon ein Spannungsverhältnis zur Welt des rationalen Geistes und der kalten Tatsachen ergeben. Im Ernst: Über die spezifisch österreichische Ignoranz gegenüber Wissenschaft und Technik - trotz überwältigender Leistungen in der Vergangenheit - wird viel spekuliert, aber wenig geforscht. Das müsste man einmal in historisch-soziologischer Perspektive untersuchen.

STANDARD: Wird von den Forschern nicht zu viel verlangt, wenn sie sich auch noch um ihre PR kümmern sollen?

Bogner: Die Wissenschaft muss sich heute demonstrativ als ein Unternehmen präsentieren, das der Gesellschaft verpflichtet ist. Diese Selbstvermarktung ist zur Überlebensbedingung geworden. Für die Wissenschaft heißt der PR-Zwang konkret: Man muss nicht nur das Geld für die eigene Forschung auftreiben, sondern auch noch das eigene Forschungsprodukt vermarkten. Der Wissenschafter von morgen ist Manager, Mediator, Beziehungsarbeiter - und nebenbei forscht er vielleicht auch noch ein bisschen.

STANDARD: Wird aber nicht auch von der Öffentlichkeit recht viel verlangt?

Bogner: Selbstverständlich. Statt abends, nach einem ermüdenden Arbeitstag, vor dem Fernseher zu sitzen oder mit den Kindern zu spielen, sollen sich die Leute in Sachen Präimplantationsdiagnostik oder Quantenoptik schlau machen. Das ist ja eigentlich eine Zumutung. So freundlich die Dialogangebote aus der Wissenschaft sind: Mit ihnen verbindet sich auch ein stiller Zwang zum lebenslangen Lernen. (DER STANDARD, Printausgabe, 30.11.2011)