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Regierungsspitzen Spindelegger, Faymann (in der Mitte), Landeschefs Pühringer, Burgstaller: Wieder einmal ein Nulldefizit angepeilt.

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Die Eckpunkte der Schuldenbremse.

Grafik: Standard/apa

Wien - Aus dem "Diktat" wurde ein Handschlag, der Groll der Landeshauptleute wich einem Ja zur Schuldenbremse: Auch Länder und Gemeinden verpflichten sich nun zu fixen Budgetlimits. Ab 2017 ist ein Nulldefizit - maximal 0,1 Prozent Minus plus einem kleinen Puffer - Pflicht.

Doch das gab es eigentlich schon bisher. In den diversen Stabilitätspakten hatten die Länder immer wieder eine Null oder sogar Überschüsse angepeilt, aber - auch wegen der Krise - nie eingehalten. Folgen? Keine.

Strengere Sanktionen, als der aktuelle Stabilitätspakt androht, sieht die Schuldenbremse nicht vor. Etwaige EU-Strafen für Budgetsünden werden auf den jeweiligen Verursacher abgewälzt - die angedrohte gemeinsame Haftung haben die Länder abgewendet. Von heimischer Seite blühen eine Rechnungshofschelte und Strafzahlungen eher theoretischer Natur, zumal Länder und Gemeinden de facto ein Veto haben. Der neue Stabilitätspakt ab 2015 könnte härtere Strafen vorschreiben. Doch gefordert habe das bei den Verhandlungen am Dienstag niemand, erzählt ein Teilnehmer.

Neu ist, dass als Benchmark das "strukturelle" Defizit gilt, in das konjunkturell bedingte Schwankungen bei Einnahmen und Ausgaben nicht eingerechnet werden. In schlechten Zeiten erhöhe dieses Prinzip den Spielraum, in guten aber den Druck zum Sparen, hofft die Regierung. Weil Einmalerlöse nicht das strukturelle Defizit senken, könnten Länder Budgetlöcher auch nicht mehr so leicht mit Finanzspritzen, die sie dem Bund abringen, stopfen.

Im Fall von "Naturkatastrophen" und Notsituationen dürfen auch die Länder die Limits überschreiten - und zwar auf Beschluss des Landtags, was auf Bundesseite Vorahnungen nährt: Jeder Sturm, der drei Fichten auf einen Feldweg wirft, könnte zum Notstand erklärt werden.

Eine Verschärfung, die zumindest auf dem Papier besteht: Die Ländervorschriften sollen, wie für den Bund, in der Verfassung stehen. Dass der Verfassungsgerichtshof aber tatsächlich einmal ein Budget kippen wird, halten Rechtsexperten wegen vieler Unabwägbarkeiten für unwahrscheinlich, und auch in der Koalition gibt man sich kaum Illusionen hin: Das eigentliche Gefecht mit den Ländern stehe erst an, wenn bei einem neuem Finanzausgleich für die Jahre ab 2015 das Steuergeld verteilt wird.

Dass diese Schlüsselfrage aufgeschoben wurde, hält die Wirtschaftsforscherin Margit Schratzenstaller für das größte Manko: Die Schuldenbremse wäre ein Anlass für die überfällige Staatsreform, um Kompetenzen zu entwirren und diese sinnvoller und kostengünstiger zu verteilen.

Positiv findet Schratzenstaller, dass auch die Länder eine transparente, vergleichbare Finanzplanung vorlegen müssen; das Haushaltsrecht des Bundes wollten sie aber nicht akzeptieren. Derzeit gäben die Länder oft keine validen Daten preis, klagt das Finanzministerium - und im Budgetkeller seien oft Leichen aufgetaucht. (Gerald John, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 1.12.2011)