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Setzte der Realwelt polemisch zu: Werner Kofler.

APA-FOTO: Marko Lipus

Wien - Wer in Österreich vorgab, etwas zu gelten, der lief Gefahr, in einem von Werner Koflers wutschäumenden Prosatexten aufzuscheinen. Der Villacher Kaufmannssohn, ein Virtuose im Umgang mit den eher unliebsamen Aspekten der heimischen Wirklichkeit, nannte die Popanze des Ungeists häufig genug beim bürgerlichen Namen.

Für flüchtige Lektüren eignen sich Koflers Bücher schwerlich. Wer in seinen Beschwörungslitaneien nach Prominenten fahndet, der stößt auf Politiker, Schauspieler und Boulevardschmieranten. Doch wer sich auf den "Echtheitsgehalt" der handelnden Personen versteift, verpasst das Beste. Der Tatbestand der Wirklichkeitsverdrehung macht die Wirkung dieser geschliffenen Texte nur zum geringsten Teil aus. Kofler besaß die Fähigkeit, Verhältnisse, die nicht nur er als unerträglich empfand, durch die Mittel der Unterstellung zur Kenntlichkeit zu bringen. Kofler streute daher Gerüchte aus: Er schwärzte an, er mutmaßte und übertrieb. Obendrein sammelte er Beweismittel und leitete umständliche Verfahren ein.

Wirklichkeitszerstörung

Kunst müsse "die Wirklichkeit zerstören", schrieb dieser liebende Berserker in seinem Band Am Schreibtisch (1988). Aber: "Die Wirklichkeit macht ungeniert weiter, die Wirklichkeit schert sich keinen Deut um die Zerstörung, die ihr in der Kunst zugefügt wird, die Wirklichkeit ist schamlos, schamlos und unverbesserlich."

Das Tiradenhafte, das Koflers Einlassungen auszeichnet, hat man oft genug an der Vorbildwirkung Thomas Bernhards gemessen. Kein Hinweis führt gewisser in die Irre als dieser: Kofler, der seine Lehrerausbildung früh abbrach und bereits 1968 als freier Schriftsteller nach Wien übersiedelte, trieb ein anderer Zorn um. Die Wirklichkeit - "eine üble Sache", so Kofler - befeuerte seinen Ingrimm. Er rechnete bereits 1975 (in Guggile) mit den Besonderheiten der Kärntner Lebenswelt ab und entwickelte die Grundzüge einer schwarzen Pädagogik, mit der er die "Erinnerungspolitik" in ihre verlogenen, politisch missbräuchlich verwendeten Teile zersetzte.

Koflers Literatur, lange Jahre beim Rowohlt-Verlag heimisch, als dieser noch auf Schärfe und Qualität achtete, lässt sich mit einem Nietzsche-Wort verstehen: Kaprizierte sich dieser darauf, mit dem Hammer zu philosophieren, so praktizierte Kofler seine Dichtkunst mit dem Hammer. Über der Unversöhnlichkeit seiner Einlassungen vergisst man leicht die Musikalität seiner weit ausgespannten Satzperioden. Man unterschlägt sein feines Gehör für die Rede der sogenannten "Geisteskranken" (Ida H., 1978), und man missachtet die Melancholie, die über den Zeilen dieses (vermeintlich) Tobsüchtigen zu schweben scheint: nachlesbar in seinem letzten Prosabuch, dem berührenden Selbstvergewisserungstext Kalte Herberge (2007).

Werner Koflers Theatersatire Tanzcafé Treblinka war eine niederschmetternde Bestandsaufnahme der Infamie. Insofern Kofler den Ungeist auch in den entlegensten Tälern und Nischen der österreichischen Verlautbarungskultur aufstöberte, war er ein wahrer Weltautor: Nur ein solcher pflegt keine Kompromisse einzugehen. Jetzt ist Werner Kofler nach langer, schwerer Krankheit 64-jährig in Wien gestorben. (poh  / DER STANDARD, Printausgabe, 9.12.2011)