Wärme, Mahlzeiten, Gesellschaft: In die Gruft kommen mittlerweile auch immer mehr junge Menschen, sagt die Caritas.

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Foto: DER STANDARD/Robert Newald

Wien - Barbara, 23 Jahre alt, ist im sechsten Monat schwanger und obdachlos. Nach der Trennung vom Ex-Freund sei sie auf der Straße gestanden, jetzt lebt sie mit ihrem neuen Partner in der Gruft. Gut ein Drittel der rund 70 Menschen, die hier täglich Unterschlupf in der Einrichtung finden, sind unter 30.

Barbara hat eine Ausbildung zur Kindergarten-Assistentin, bis auf Praktika konnte sie jedoch keine Arbeit in dem Bereich finden. Eine Zeitlang habe sie beim Billa gearbeitet, seit zwei Jahren ist sie arbeitslos. Mit der Familie gibt es zwar Kontakt, aber die bietet keine wirkliche Unterstützung an. "Die fragen höchstens, wie es jetzt weitergeht." Barbara und ihr Freund hoffen nun auf ein Doppelzimmer in einer Eltern-Kind-Einrichtung. Darauf würden sie seit Monaten warten, wahrscheinlich werden es aber zwei Einzelzimmer. Ihres kann Barbara von der Mindestsicherung bezahlen.

Nicht nur zunehmend jüngere Menschen kommen in die Gruft, die in diesem Advent ihr 25-jähriges Bestehen begeht. "Es sind auch immer mehr Menschen bei uns, die eine Wohnung, aber kein Geld für Essen oder Heizung haben", erzählt Sozialarbeiterin Susanne Peter. Sogenannte Wohnversorgte können von zwölf bis 20 Uhr bleiben. Manchmal blieben sie länger, weil ihnen der Strom zu Hause bereits abgedreht wurde. Früher hätte es gute Kontakte zu Leiharbeitsfirmen gegeben, "aber seit die einen Meldezettel verlangen, haben unsere Klienten keine Chance mehr". Die Unsicherheit, wie gepflegt und ausgeschlafen ein Obdachloser sein kann, halte die Firmen ab.

Die Nachfrage nach Versorgung wächst mit jedem Jahr: 2010 wurden fast 90.000 Mahlzeiten in der Gruft ausgegeben, das entspricht einer Verdoppelung innerhalb eines Jahrzehnts. 3000 Menschen - so viele neue Obdachlose wie nie zuvor - haben sich im Vorjahr an die Caritas, Trägerin der Gruft, gewandt.

Eine Million armutsgefährdet

Rund eine Millionen Menschen in Österreich sind armutsgefährdet, rund die Hälfte sind von manifester Armut bereits betroffen. Als politische Grenze gilt das Existenzminimum, das derzeit bei 795 Euro im Monat liegt. Alleinerziehende, Langzeitarbeitslose, Pensionisten und Menschen mit Migrationshintergrund sind am häufigsten betroffen. 237.000 Personen können ihre Wohnung nicht mehr angemessen heizen, Tendenz steigend. Laut Caritas wird Energiearmut jedoch kaum als sozialpolitisches Problem wahrgenommen. Sie fordert daher ein Verbot von Stromsperren im Winter, wie es beispielsweise in Belgien existiert.

"Gruppen, die bisher am Rande waren, werden durch die Folgen der Wirtschaftskrise über den kritischen Rand gestoßen", so Caritas-Chef Michael Landau. Genau diese Gruppe habe vorher nicht vom Gewinn profitiert.

"Weihnachtszeit ist Krisenzeit in der Gruft", erzählt Peter, die auch Psychotherapeutin ist. Vor allem am heiligen Abend sei die Katastrophe vorprogrammiert. Dann kämen die Erinnerungen an die eigene Familie und die Kinder, die man nicht sehen kann, zurück. Das sei auch der einzige "katholisierte" Abend im Keller der Barnabitenkirche, direkt an der Mariahilfer Straße, wo die Gruft ihre Adresse hat. Neben dem Pfarrer würden auch ehrenamtliche Therapeuten an diesem Abend ihr Bestes geben, um den Kummer so klein wie möglich zu halten. (Julia Herrnböck/DER STANDARD, Printausgabe, 9.12.2011)