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Premier Kamal Ganzouri erhielt Präsidentenvollmachten.

Foto: APA/EPA/Khaled

Kairo/Wien - So viele Medien, so viele Wahlergebnisse schien es am Donnerstag in Kairo zu geben, aber alle hatten sie natürlich die Botschaft gemeinsam, dass die zwei Islamistengruppen bei der ersten Runde der Parlamentswahlen die großen Sieger sind: Von sechzig Prozent bis zu zwei Drittel der bei dieser Runde zu vergebenden 168 von 498 Parlamentssitze werden die Muslimbrüderpartei FJP und die Salafisten gemeinsam bekommen.

Das Verhältnis ist etwa 46 Prozent für die FJP (Freiheit und Gerechtigkeits-Partei) und zwanzig für die Salafisten mit ihrer stärksten Partei Nur (Licht). Bei den Stichwahlen am Montag waren die FJP-Kandidaten, die gegen Salafisten antraten, meist erfolgreich. Abgeschlagen sind an dritter Stelle Liberale und Linke.

Das Berechnungschaos kommt daher, dass sich bisher die Aufmerksamkeit auf jene Parlamentssitze konzentrierte, für die mit einem Personenlistensystem gewählt wird. Zwei Drittel der Mandate werden jedoch nach einem proportionalen Parteilistensystem vergeben, das offenbar seinen Erfindern selbst Kopfzerbrechen bereitet. In einigen Wahlbezirken dürfte es nach Beeinspruchungen auch Wiederholungen geben.

Schocksymptome über den hohen islamistischen Sieg, bei dem ausgerechnet die Muslimbrüder als Bollwerk gegen einen islamischen Staat übrigbleiben, zeigen nicht nur westliche Kommentatoren, sondern auch der Militärrat: General Mukhtar Mulla, der zuletzt öfters als Sprachrohr der Armee auftrat, erklärte am Mittwoch vor ausländischen Journalisten, das - nicht einmal fertige - Parlament für "nicht repräsentativ" .

Das bedeutet, dass der Militärrat dem Parlament die Aufgabe, die neue Verfassung zu schreiben, doch nicht überlassen will. Damit bricht das Militär einen Deal mit den Muslimbrüdern, denen zugesagt wurde, das Parlament werde eine 100-köpfige verfassungsgebende Versammlung bestimmen. Nun will der Militärrat Leute von außerhalb des Parlaments hereinholen. Das bedeutet Ärger mit den Muslimbrüdern, die sich zuletzt von Demonstrationen gegen die Junta ferngehalten hatten.

Der Militärrat hat Premier Kamal Ganzouri, dessen Regierung am Mittwoch vereidigt wurde, Präsidentenvollmachten zugestanden, mit der Einschränkung der Bereiche Militär und Justiz. Da die revolutionären Bewegungen Ganzouri, einen Expremier Mubaraks, ablehnen, bezeichnen sie den Schritt als Farce. Auch Innenminister Mohamed Yussef Ibrahim ist ein alter Mubarak-Mann. (Gudrun Harrer/DER STANDARD, Printausgabe, 9.12.2011)