Deutsche und Humor passen so gut zusammen wie Jugendherberge und Designerbett. "Typo"-Organisator Erik Spiekermann tat deshalb gut daran, sich folgenden Rat zu Herzen zu nehmen, den ihm ein Freund gegeben hatte: "Ihr Deutschen braucht Humor. Warum macht ihr nicht eine Konferenz dazu?" So kam die Berliner "Typo", ein internationaler Designkongress mit 70 Referenten und 1200 Teilnehmern, zu ihrem diesjährigen Thema. Angetreten waren im Mai Grafik-und Produktdesigner, Künstler, Journalisten und Werber, um drei Tage lang dem Krisengejammer tapfer mit Humor entgegenzutreten.

"Blindtext, eine satirische Masse", hieß es launisch im Programmheft, "Form follows foolishness" oder einfach nur "Hello". Was das alles mit Design zu tun hat? Streng genommen nichts. Doch lag gerade darin die Stärke der Veranstaltung: Niemand war auf Krampf darauf aus, Humor und gestalterische Arbeit zu verbinden. Die Teilnehmer jedenfalls lernten vieles über Humor, was sich bestens in Partygesprächen einsetzen lässt. Oder wussten Sie etwa schon, dass in Tansania einmal eine Schule geschlossen wurde, weil drei Mädchen einen nicht enden wollenden Kicheranfall bekamen, der binnen sechs Wochen alle 95 Schülerinnen erfasste? Dass beim Kölner Karneval neben Bonbons auch eingeschweißte Blutwürste unters Volk gebracht werden? Dass in Spanien jede Berufsgruppe einen Heiligen hat, ausgenommen Grafikdesigner - was die spanischen Typografen "Type-Ø-Tones" dazu veranlasste, die Heiligenfigur "Sant Serif" zu entwerfen? Nicht zu vergessen die Tatsache, dass allein in Europa 580 verschiedene Staubsaugerbeuteltypen designt werden.

Wie kreativitätsstiftend die "Typo" selbst sein kann, bewies Timm Ulrichs Beitrag: Der Künstler hatte sich auf dem Kongress drei Jahre zuvor gelangweilt, weshalb er sich statt auf den Vortrag auf die Bühnenstehlampe mit Wackelkontakt konzentrierte. Sie beflügelte ihn zu einem 23-minütigen Film, in dem sich zwei Lampen Lichtmorsezeichen senden. Deren Übersetzung in Schrift wurde in einen langsam laufenden Text eingeblendet. Und der lief langsam, sehr langsam . . . Wer nicht nur Kunst, sondern auch die "Typo 2003" als im Grunde frei von Zwecken betrachtete, der hatte auf dem Design-Gipfeltreffen seinen größten Spaß. Dass gut gemeint nicht unbedingt gut gemacht heißt, war bei der Angebotsfülle zu erwarten, doch leicht zu verschmerzen. Denn wenn die Zitate eines Vortragenden auf ihn selbst zurückschlugen, hatte das auch wieder seinen komischen Reiz, so beim Leiter des Museums für Gestaltung in Basel, Bruno Haldner: "Humor ist keine Leihgabe, sondern eine Gabe", sagte er, um dann seine Rede mit lauter geliehen Philosophenzitaten zu schmücken.

Einen besseren Job machte Syd Mead, der Illustrator von Filmen wie "Star Trek" oder "Blade Runner". Im Schnelldurchlauf bekam das Publikum eine Werkschau des 70-Jährigen zu sehen, eine Autozeichnung aus Kindertagen, Cartoons aus Jugendzeiten, Filmsets, Manga-Zeichnungen und Karikaturen der vergangenen Jahre. Außerdem eine Interieurarbeit: Für den saudischen König hatte sich Mead an die Innenausstattung eines Luxusflugzeugs gemacht, das sogar einen Fahrstuhl für den schwergewichtigen König bekam. Fast immer sind die futuristischen Szenerien, die Mead entwirft, düster. Doch wer ihn fragt, wie er so etwas macht, bekommt eine trockene Antwort: "Sorgfältig."


"Wir machen gern Blödsinn" ist hingegen die Devise von Nils Holger Moormann, jenem Unternehmer, der in der Möbelbranche als David gefeiert wird, seitdem er nach zähem Ringen einen Urheberrechtsstreit gegen Ikea gewonnen hat: Der Möbelgoliath hatte das Design eines Tischbocks von Moormann kopiert. Kaum hatte der Bayer in der letzten Instanz gewonnen und Ikea den Tischbock aus dem Sortiment genommen, ließ Moormann die Geschichte zu einem Comic-Märchen verarbeiten. Das wiederum fand Ikea nicht lustig und mahnte den Text ab. Sein neuestes Regal nannte Moormann trotzdem frech "Billy Clever", und Designer wie Konstantin Grcic oder Axel Kufus konfrontiert er bei jährlichen Arbeitstreffen mit designfremden Aufgaben wie Kuchenbacken oder Bergwanderungen. Trotz Krisenstimmung bei den Möblern, bewies Moormann, muss die Freude am Entwerfen nicht verloren gehen.

Der Beitrag von Judith Mair und Tanja Godlewsky geriet zum ironischen Gewaltmarsch durch eine besonders deutsche Form von Spaß, den Kölner Karneval. Todernst unterzogen die Medienberaterinnen den organisierten Frohsinn einer Markenanalyse und präsentierten seltsame Designauswüchse von Karnevalsvereinen. Damit nahmen sie den rheinischen Schunkelhumor genauso auf die Schippe wie ihre eigene Zunft, die die Welt mit Marketingbegriffen wie "Brand-architecture" oder "USP" verunstaltet.

Den Vogel aber schoss am letzten Tag Publikumsliebling Stefan Sagmeister ab. Der Startypograf setzte sich bunte Hütchen auf den Kopf und schnallte sich einen Papp-Entenschnabel vor, nicht ohne vorher zu verkünden: "Witzforscher haben die Ente als das lustigste Tier ausgemacht." Schließlich nahm er eine Sahnetorte und warf sie - sich selbst ins Gesicht, um dann ungerührt weitere fünfzehn Minuten zu reden. Eine Performance, die ihre Plattheit durch Sagmeisters authentisch wirkende Bescheidenheit und seinen Sinn für Selbstironie verlor und so die Selbstinszenierung charmant machte. Routiniert erzählte Sagmeister abstruse Geschichten aus seinem Leben als CD-Cover-Designer und gab Beispiele für schlechte Typografie, die ungewollt witzige Folgen produzierte. Dabei sparte er auch eigene Entwürfe nicht als "Design Desaster" aus, etwa einen Pin aus Metallresten des World Trade Centers, der erst fünf Monate nach dem 11. September zustande kam und dann keine Abnehmer mehr fand. Oder eine sechzig Seiten starke Broschüre, deren Textinhalt locker auf eine DIN-A4-Seite gepasst hätte.

Was Humor also nun mit Gestaltung zu tun hat? "Design lässt sich wunderbar auf ganz normale Kommunikation zwischen Menschen reduzieren", sagte Sagmeister, nach seinem Torten-Auftritt. Und nichts anderes ist doch Humor: Kommunikation. Eine wunderbare Strategie, um das Leben zu gestalten. (DerStandard/rondo/Mareike Müller/06/06/03)