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"Spanierin", 1921.

Foto: APA/NOLDE STIFTUNG SEEBÜLL/MDM

Salzburg - Die Südsee ist ein Paradies. Das Leben der Insulaner ein perfekter Traum. Das Bild, das zu Beginn des 20. Jahrhunderts von den kolonialen Gebieten im Pazifik herrschte, war ein verklärtes. Paul Gauguin hatte das Leben in der Ferne jenseits der Zivilisation gesucht, die Daheimgebliebenen, etwa die Mitglieder der Künstlergruppe "Brücke", studierten die Stammeskunst in den Völkerkundemuseen. Auch einer der wichtigsten deutschen Expressionisten, Emil Nolde (bis 1907 "Brücke"-Mitglied), erlag der Kunst der Naturvölker, der Faszination ihres "intensiven, oft grotesken Ausdrucks von Kraft und Leben in allereinfachster Form".

Auf der Suche nach dem "Ursprünglichen", der treibenden Kraft in seinem Werk, nutzte Nolde (1867-1956) 1913 die Gelegenheit, mit eigenen Augen zu sehen: Zusammen mit seiner Frau Ada war er Gast der medizinisch-demografischen Expedition nach "Deutsch-Neuguinea". Sein Reisebudget war allerdings geliehen. Über Land reiste man über Sibirien und China bis nach Neupommern, dem seit 1975 souveränen Staat Papua-Neuguinea.

In der auf Emil Noldes Papierarbeiten konzentrierten Ausstellung Mensch Natur Mythos im Salzburger Museum der Moderne illustrieren mehr als zwei Dutzend Aquarelle sein Interesse für die Menschen der Südseeinseln, ihre Mythen und Riten.

Noldes vom energischen und sicheren Strich geprägte Blätter zeigen oft glühend schwarze Augen, bemalte, aber stets ernste Gesichter, von archaischem Schmuck durchbohrte Nasen und Ohren. In deren Mitte werden einige Objekte archaischer Südseekunst präsentiert: bemalte Krieger aus Holz, in denen selbst das Geschlecht wie eine Waffe in Stellung gebracht scheint, oder monströse Masken. Gerne hätte man hier einen Gegenschuss gesehen. Etwa eine jener Skulpturen, die damals die Bewohner von den seltsam langnasigen, weißen Eindringlingen angefertigt haben. Es hätte zu Noldes Ansicht gepasst. Die Europäer empfand er im Vergleich mit den "wirklichen Menschen" als "verbildete Gliederpuppen".

Die Landschaft, der Nolde in seiner Heimat so großes Augenmerk schenkte und die ihm als Spiegel seiner Seelenzustände diente, scheint jedoch in der Fremde in den Hintergrund zu rücken. Nur wenige Aquarelle fangen die exotische Fauna ein. Als Nolde 1914 auf dem Seeweg zurückkehrt, bricht der Erste Weltkrieg aus. Sein Gepäck wird samt den auf der Reise entstandenen Gemälden beschlagnahmt. Was Nolde dennoch mitbrachte, war Kritik an der zersetzenden Kraft der Kolonialisierung. Als "unerträglich" bemängelte er etwa den Raubbau der Rohstoffe, die als Waren in "billigster Ausführung" in die Länder zurückkämen. "Ganze Urzustände und Urvölker gehen zugrunde, alles wird entdeckt und europäisiert. In 20 Jahren ist alles verloren."

Die "Südsee" ist das überzeugendste, da nicht ausfransende Kapitel in der von den Staatlichen Museen Berlin übernommenen, aber insgesamt unentschlossenen Überblicksschau. Zwar rufen Noldes Menschenbilder seine Fähigkeit zur Psychologisierung sowie seine druckgrafische Könnerschaft in Erinnerung; Natur- und Hafenbilder veranschaulichen sein oft schwermütiges Wesen. Diese Kapitel könnten jedoch wesentlich straffer ausfallen. (Anne Katrin Feßler, DER STANDARD - Printausgabe, 2. Jänner 2011)