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Was will uns dieses Bild wohl sagen? Schwarze Schafe gibt es hier natürlich nicht und Ratingagenturen sind auch nicht dumm - auch wenn sie durchaus dem Herdentrieb folgen.Und das sagt man wiederum eigentlich nicht den intelligentesten Anlegern nach...

Foto: Reuters/Stringer

Wien - Lange waren Standard & Poor's, Moody's und Fitch nur der Finanzbranche ein Begriff. Diese privaten, gewinnorientierten Unternehmen bewerten gewerbsmäßig die Kreditwürdigkeit (Bonität) von Unternehmen, Staaten und Gebietskörperschaften. Die Finanzbranche orientiert sich heute bei ihren Investitionen an den "Noten" der drei großen US-Ratingagenturen.

Erfindungen der Finanzbranche sind die "Wächter" über die Staatshaushalte nicht. Die Geschichte der Rating-Agenturen reicht bis ins 19. Jahrhundert zurück, als das US-Eisenbahnnetz sich über den Kontinent ausdehnte. Das erforderte Kredite, die die Banken nicht alleine schultern konnten. Industrieunternehmen begannen, Anleihen auszugeben, um an Geld zu kommen. Eine gute Bewertung war da praktisch Goldes wert.

Zunehmend im Zwielicht

Erst seit der Finanzkrise 2008 gerieten die Ratingriesen zunehmend ins Licht der Öffentlichkeit und damit auch ins Zwielicht. Auch der gemeine Bürger weiß heute, dass Moody's und Co es sind, die durch ihre Ankündigungen, Drohungen und Mahnungen maßgeblich Einfluss nehmen auf die Politik der Staaten. Schuldenbremsen, Sparpakete, effiziente Strukturen: Was gefordert wird, hat meist mit Ausgabenkürzungen zu tun. Die Bewertungen sind ausschlaggebend dafür, wie hoch die Zinsen sind, die ein Staat für Geld, das er an den Finanzmärkten lukrieren will, zu berappen hat. So weit so bekannt.

Kritiker bemängeln, es bleibe oft unklar, welcher Anteil der Ratings Mathematik und welcher Meinung ist. Am Pranger fanden sich die Agenturen aber auch aus durchaus schwer wiegenden Gründen, hatten sie doch auch Ramschpapiere als sichere Geldanlage angepriesen. Besonders Regierungen, deren Länder in jüngerer Vergangenheit abgemahnt oder abgestuft worden sind, übten zuweilen recht harsche Kritik. Und die Zahl der Staaten, die in ihr Visier gerieten, nahm 2011 ganz rasant zu - nachdem sich die „Bewertungslage" in der Eurozone schon in den beiden Jahren davor sukzessive zugespitzt hatte. Die Griechen wurden 2009 abgestuft, in der Folge purzelten die Bewertungen für die Kreditwürdigkeit Athens, Staaten wie Portugal oder Spanien gerieten ins Visier der "großen Drei". 2011 waren die USA und auch das kleine Österreich dran. Bis zum Jahresende zitterten hierzulande die Regierungsvertreter um das berühmte AAA. Im Dezember drohte Standard & Poors fast der gesamten Euro-Zone eine Herabstufung an. Auch die Bestnote von Deutschland und Frankreich wurde in Frage gestellt.

Verursacher, Verstärker oder im Sog der Krise

Wie Dominosteine fielen die Staaten - ein Teufelskreis, an dessen Ausgangspunkt Kapitalismuskritiker und Politiker gerne die Bonitätswächter stellen. Doch wie groß ist ihr Einfluss wirklich? Wifo-Forscher Thomas Url hat sich die Sache genauer angesehen. "Verursacher, Verstärker oder im Sog der Staatsschuldenkrise" lautet der Titel einer entsprechenden Analyse, die dieser Tage veröffentlicht wurde. Es geht um die Frage: sind Ratingagenturen die Bösen, die Staaten in den Staatsbankrott treiben oder überschätzt man damit ihre Macht ganz gewaltig. Schwarz-Weiß ist das Bild, das Wifo-Mann Url zeichnet nicht. "Die Ratingagenturen hoppeln eher hinterher", sagt er im Gespräch mit derStandard.at. "Sie setzen ihre Wertung relativ zu einem Standardland, das allerdings nicht genannt wird. Im Euroland dürfte es sich um Deutschland handeln."

Was nun die Bewertungen angeht, so werden in ruhigen Zeiten die Ratings weniger deutlich verändert, in turbulenten Zeiten hingegen werden schon einmal ein paar Stufen auf einmal abgestuft, so Url. Wieso das so ist, erklärt er sich so: "Zu diesen Zeiten fließt sehr viel Information, es gibt Ereignisse wie etwa den Sonderbesuch in Österreich im Dezember." Und: Auch die Ratingagenturen folgen dem Herdentrieb. Agenturen passen ihr eigenes Rating tendenziell jenem der anderen Agenturen an.

Marktstimmung beeinflusst Kapitalströme

Den erhöhten Aktionismus schreibt Url auch der Tatsache zu, dass die Agenturen 2008 neben der Kritik an ihrer Beratungstätigkeit auch dafür gerügt worden waren, zu langsam auf die aktuelle Situation zu reagieren. Klar ist: Die Marktstimmung beeinflusst internationale Kapitalströme rasch und nachhaltig. Die Veränderung der Risikobereitschaft internationaler Anleger erkläre mehr als die Hälfte der Schwankungen des Zinsdifferentials zwischen inländischen Staatsanleihen und den Anleihen aus einem sicheren Vergleichsland, so Url in seiner Analyse. Herabstufungen des Länderratings können also durchaus destabilisierend wirken. Die Auswertung der Ratingänderungen für die vier europäischen Peripherieländer Griechenland, Irland, Spanien und Portugal zwischen 1994 und 2011 lieferte allerdings keinen Nachweis, dass sie ursächlich für den Teufelskreis aus Zinsanstieg, Herabstufung und Zunahme der Staatschuld verantwortlich zu machen wären. "Wenn eine Abfolge aus Abstufungen erfolgt, so gibt es ein Echo. Die Renditen steigen", stellt Url fest. Allerdings seien die Zinssatzsteigerungen so gering, dass ein Staat nicht unmittelbar in den Staatsbankrott getrieben wird.

Wie weit die Bewertungen der Bonitätswächter einen selbstverstärkenden Prozess aus Zinssatzsteigerungen und Herabstufungen auslösen, müsse während der Staatsschuldenkrise aber mit erhöhter Aufmerksamkeit verfolgt werden, "vor allem weil in der Vergangenheit immer wieder Ratingfehler auftraten." Immerhin ist der Anstieg der Zinssätze für Staatsanleihen ein Marktsignal für schwindendes Vertrauen in die Rückzahlungsfähigkeit eines Staates, andererseits erschwert er die Budgetsanierung durch die damit verbundene Zunahme des Zinsaufwandes. (Regina Bruckner, derStandard.at, 3.1.2012)