Berlin - Der tschechische Künstler Martin Zet will mit einer Sammelaktion die Verbreitung des umstrittenen Bestsellers "Deutschland schafft sich ab"  von Thilo Sarrazin verringern. Die Aktion zur 7. Berlin Biennale heißt in Anlehnung an den Sarrazin-Titel "Deutschland schafft es ab" - und stößt wegen möglicher Assoziationen zur NS-Bücherverbrennung auf heftige Proteste.

Zet versucht nach Angaben des Kunstfestivals, möglichst viele Exemplare des Buches zu sammeln und sich dieser so zu entledigen. "Das Buch weckte und förderte anti-migrantische und hauptsächlich anti-türkische Tendenzen in diesem Land", wird der Künstler zitiert. Zet ruft dazu auf, mindestens 60.000 Exemplare von "Deutschland schafft sich ab" zu sammeln. Das entspreche weniger als 5 Prozent der kompletten Auflage. Die Bücher sollen zu einer Installation bei der Biennale (27.4. bis 1.7.) werden. Danach werden sie für einen guten Zweck recycelt.

Die Biennale rief dazu auf, Exemplare des Buches in einer der teilnehmenden Sammelstellen abzugeben oder per Post an das Ausstellungshaus KW Institute for Contemporary Art zu schicken.

Heftige Proteste

Der Historiker und Mitarbeiter des Moses Mendelssohn Zentrums in Potsdam, Werner Treß, der in mehreren Veröffentlichungen die nationalsozialistischen Bücherverbrennungen vom 10. Mai 1933 erforscht hat, zeigte sich über die geplante Künstleraktion schockiert. Jedes Buch sei unabhängig von seinem Inhalt ein kultureller Wert an sich und dürfe nicht öffentlich zerstört werden. "So kommt es, dass ich ein Buch, dessen Inhalt ich zutiefst ablehne, doch in Schutz nehmen muss", sagte Treß. Der Direktor des Mendelssohn-Zentrums, Professor Julius H. Schoeps, sagte: "Dieses Vorhaben ist keine Kunstaktion, sondern ein Akt der Peinlichkeit, den es zu verhindern gilt."

Der Geschäftsführer des Künstlerhauses Bethanien in Berlin-Kreuzberg, Christoph Tannert, verwies darauf, dass nicht nur in der NS-Zeit, sondern auch in Osteuropa zu Zeiten des Kalten Krieges unliebsame Bücher eingezogen wurden. All diese "Dinge einer Zensurausübung" finde er "extrem negativ", sagte Tannert im Deutschlandradio Kultur.

Das Berliner Haus der Kulturen der Welt, bisher einer der Unterstützer der Aktion, äußerte sich kritischer und sprach sich für eine "konzeptionelle Klärung" aus. Dass in der öffentlichen Debatte ein Zusammenhang mit den NS-Bücherverbrennungen hergestellt werde, führe zu einer Polarisierung, sagte Intendant Bernd M. Scherer. "Das Haus der Kulturen der Welt geht deshalb davon aus, dass auch dem Künstler an einer konzeptionellen Klärung gelegen ist."

Das Berliner KW Institute, der Veranstalter der Biennale, erklärte nach den Protesten, das Kunstprojekt habe nicht die Vernichtung der Bücher zum Ziel. Zet werde gemeinsam mit dem Publikum an der Frage arbeiten, welchem Zweck die Bücher anschließend zugeführt werden sollten. Der Künstler verbinde mit der Spende und der "Transformation" der Bücher einen Akt des Widerstands gegen den polarisierenden Inhalt. (APA)