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Michel Hazanavicius.

Foto: Reuters/Danny Moloshok

Michel Hazanavicius ist ein Schwärmer. Wenn er einmal anfängt, Szenen aus alten Filmen nachzuerzählen, dann ist er kaum zu stoppen. Das klassische Hollywood kennt er in einer Detailgenauigkeit, die manche Filmhistoriker beschämen würde. Und all das sieht man seinem Film TheArtist, der am Sonntag in den USA mit drei Golden Globes ausgezeichnet wurde und als heißer Oscar-Favorit gilt, auch an: Hier liebt einer inbrünstig das Kino. Schon 1993 drehte er, damals noch fürs französische TV, wo seine Laufbahn begonnen hatte, einen ganzen Film, indem er Ausschnitte aus alten Hollywood-Streifen neu zusammensetzte: La classe américaine kann man als Parodie auf Citizen Kane sehen, zugleich aber auch als Hommage an Stars wie John Wayne und an die Ära, die sie prägten.

Viele Menschen werden erst jetzt beginnen, sich mit seinen früheren Arbeiten zu beschäftigen, denn vor TheArtist war der 1967 in Paris geborene Hazanavicius (sein vier Jahre älterer Bruder Serge ist ein bekannter Schauspieler) eigentlich vor allem mit zwei parodistischen Agentenfilmen aufgefallen. Mit OSS 117 - Der Spion, der sich liebte und Er selbst ist sich genug machte er sich über James Bond und andere Weltretter lustig, auf Grundlage einer französischen Filmreihe, die in den 1950er-Jahren begann und deren Held den klingenden Namen Hubert Bonisseur de la Bath trägt. Schon dafür arbeitete er mit dem Komiker und Schauspieler Jean Dujardin zusammen, der nun in TheArtist die Hauptrolle spielt. Der weibliche Star darin gehört sogar noch in einem viel engeren Sinn zur Familie, denn Bérénice Bejo ist Hazanavicius' Lebensgefährtin, das Paar hat zwei kleine Kinder, den 2008 geborenen Lucien und die erst wenige Monate alte Gloria.

Die nostalgische Qualität, die TheArtist verströmt, wirkt eigentlich fast selbst schon wieder ein wenig unzeitgemäß, und mit Blick auf sein bisheriges Gesamtwerk könnte man Hazanavicius für einen verspäteten Postmodernen halten, für einen Virtuosen im Reich der Zeichen, desinteressiert an der realen Gegenwart. Sein nächstes Projekt ist, wenig überraschend, ein Remake. Er möchte Fred Zinnemans Die Gezeichneten (1948) neu drehen, eine Geschichte um versprengte Überlebende der Konzentrationslager in den Trümmern von Berlin. Im Original war der neunjährige Held stumm. Man kann gespannt sein, wie Hazanavicius bei diesem schwierigen Stoff mit seinem Faible für Glamour umgehen wird. (Bert Rebhandl, DER STANDARD/Printausgabe 17.1.2012)