Wien - Es war ein Abschied auf Raten: Rund 25 Jahre lang hatte Dieter Glawischnig in Hamburg als Pianist, Dirigent, Komponist und Pädagoge gewirkt, dabei aus dem Rundfunk-Tanzorchester die NDR-Bigband geschmiedet und an der Hochschule eine Jazzabteilung eingerichtet. Ja, so ein umtriebiges Multitalent wie Glawischnig konnte man nicht so schnell gehen lassen. Nun allerdings ist die Emeritierung unter Dach und Fach, der 73-Jährige ist nach Eggersdorf nahe seiner Heimatstadt Graz übersiedelt und lässt auf verstärkte konzertante Aktivitäten hoffen.

Denn als Instrumentalist hat Dieter Glawischnig schon vor seiner Hamburger Zeit Außerordentliches geleistet, zählte er doch mit seinem langjährigen Partner Ewald Oberleitner Ende der 1950er-Jahre (parallel zu Aktivitäten der späteren Masters of Unorthodox Jazz in Wien) zu den ersten Musikern des Landes, die sich mit freier Improvisation beschäftigen.

Später kanalisierte Glawischnig jenes forschende Interesse an kreativer Spontaneität im Konzept eines "motivisch und thematisch gebundenen Free Jazz", umgesetzt vor allem im Trio Neighbours mit Oberleitner und dem verstorbenen Schlagzeuger John Preininger. Als Gäste wirkten mitunter Exponenten der Chicagoer Avantgarde-Jazz-Szene mit, etwa Fred Anderson und Anthony Braxton.

Aktuell hat sich Glawischnig mit jüngeren Kollegen umgeben, die er aus seiner Zeit in der Stadt an der Alster kennt: Stephan Meinberg (tr), Gabriel Coburger (sax), Sven Kerschek (b) und Dirk Dhonau (dr) heißen die Mitglieder des Glawischnig Hamburg Ensemble: allesamt arrivierte Freigeister, befähigt, den Veteranen aus der Reserve zu locken. (felb, DER STANDARD/Printausgabe 17.1.2012 )