Breites Vertrauen der SP-Fraktion: Drei Fünftel für Hannes Swoboda.

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Der Deutsche Martin Schulz ist neuer Präsident des Europaparlaments.

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Martin Schulz hat sich warmgesprochen. Etwa die Hälfte seiner Dankesrede vor dem Plenum nach seiner Wahl zum neuen Präsidenten des Europäischen Parlaments ist absolviert, da kommt der Sozialdemokrat zu seinem Leib- und Lieblingsthema: Demokratie, Bürgerbeteiligung, nationale Regierungen, die alle Macht an sich reißen und allein herrschen wollen.

"Wer glaubt, er kann ein Mehr an Europa mit weniger Parlamentarismus schaffen, dem sage ich hier den Kampf an" , sagt, nein, schreit Schulz in den Saal. Der Fiskalpakt zur Herstellung von mehr Budgetdisziplin in der Eurozone, über den gerade auch mit Parlamentsvertretern verhandelt werde, sei diesbezüglich "der erste Test". Die Staats- und Regierungschefs hätten glatt versucht, die Gemeinschaftsmethode, also das faire Zusammenwirken aller EU-Institutionen, von großen und kleinen Staaten, zu umgehen, zu unterlaufen. Das aber, so verspricht der neue Präsident, werde er nicht zulassen. "Ich werde kämpfen" , für jeden einzelnen Abgeordneten, für die Interessen der Bürger, darum gehe es: "Das Parlament ist der zentrale Ort, an dem über die Interessen der Bürger zu verhandeln ist." Das Mauscheln hinter verschlossenen Türen müsse endlich vorbei sein. daher werde er darauf bestehen, bei EU-Gipfeln an den Beratungen der Staats- und Regierungschefs aktiv teilzunehmen - auch wenn der EU-Vertrag das so nicht vorsehe.

Es gibt viel und starken Applaus, am Ende stehende Ovationen - vielleicht, weil Schulz "fast naiv" einfach die Europa-Idee wieder voranbringen will. "Ja, ich will wieder Begeisterung für dieses einzigartige Projekt wachrufen" , sagt er. Schon als Chef der Fraktion der Sozialdemokraten galt Schulz lange als einer der besten und schärfsten Redner unter den 736 Deputierten. Das hat ihm "nicht nur Freunde eingebracht" , wie er selber einräumt. Und einige Redner der kleinen Fraktionen halten Schulz auch vor, dass er sich als SP-Anführer oft intolerant gegenüber anderen Meinungen aufgeführt habe. Das mag einer der Gründe sein, warum Schulz mit 385 Stimmen (von SP und Konservativen vor allem) kein überwältigendes Ergebnis erreicht. Die liberale Kandidatin und ein britischer EU-Skeptiker kommen als Gegenkandidaten auf jeweils mehr als 140 Stimmen.

Aber dennoch: Dass der neue Präsident ein "kantiger Vertreter" der einzigen direkt gewählten EU-Institution sein will, das fällt spürbar auf begeisterte Zustimmung. Auch dass er zur Lösung der Finanzkrise viel stärker soziale Themen ansprechen will.

Trautmann abgeschlagen

Genau darauf und auf sehr gute Kooperation mit "einem Präsidenten, der nicht aufhört, ein Sozialdemokrat zu sein" , setzt auch Hannes Swoboda. Der Wiener wurde gleich im ersten Wahlgang mit 102 Stimmen zum SchulzNachfolger an der Fraktionsspitze gewählt, nicht unerwartet, wie der Standard berichtete. Die Französin Catherine Trautmann schnitt mit 45 Stimmen bei der SP eher enttäuschend ab, der Brite Stephan Hughes mit 42 relativ gut.

Swoboda sieht es neben dem Kampf gegen Anfechtungen gegen die Demokratie als Hauptaufgabe an, in der Krise praktikable Lösungen zu finden. Nicht zuletzt müssten er und Schulz versuchen, eine stärkere Profilierung der Sozialdemokratie zu erreichen. (Thomas Mayer aus Straßburg/DER STANDARD, Printausgabe, 18.1.2012)