Bild aus Dariusz Kowalskis "Zwischenfälle" (2011).

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Wien - Die eigenen an den historischen Spuren messen: So beschreibt Dariusz Kowalski seine Motivation für den Dokumentarfilm Richtung Nowa Huta. Für den Film, der heuer bei der Diagonale Premiere feiert, kehrte der in Wien lebende Künstler (geb. 1971) und Filmemacher nach 20 Jahren in seine Heimatstadt Nowa Huta zurück. Die "Neue Hütte" entstand 1949 als erste sozialistische Stadt in Polen für die Arbeiter eines Eisenhüttenkombinats nahe Krakau. Ähnlich wie Thomas Heise, der 1992 in Eisenzeit das deutsche Äquivalent Eisenhüttenstadt porträtierte, unternimmt auch Kowalski eine Rückreise, die biografischen Erinnerungen folgt.

Die umfassenden Recherchen - etwa im IPN, einem Institut zur Dokumentation kommunistischer Verbrechen - mündeten aber auch in andere künstlerische Arbeiten: Die jüngsten zeigt er nun unter dem Titel Zwischenfälle im Neuen Kunstverein Wien. Zentral sind darin Aufnahmen des Sicherheitsdienstes, die am 13. Oktober 1985 entstanden, dem zweiten Todestag von Bogdan Wlosik, einem von einem Geheimagenten ermordeten jungen Arbeiter. Und wie so oft kam es auch an diesem Tag zu Ausschreitungen zwischen zivilen Sicherheitsleuten und den Menschen, die sich hier nach den Gottesdiensten häufig zu Kundgebungen versammelten - vor der einzigen Kirche der ursprünglich religionsfrei geplanten Stadt.

Kein außergewöhnliches historisches Ereignis, sondern ein sich wiederholender Akt des Widerstands steht im Fokus. So sind auch für Kowalski weniger die dokumentarischen Bilder von Interesse als vielmehr die alltägliche Rede der Überwacher. Das Transkript des Originaltons hat er als unabhängigen Loop über die Bilder gelegt, und er steigert so die Bild-Text-Schere ins Extreme: "Haben Sie die Flugblätter drauf?", fragt die Frau im Off den Kameramann zu Prügelbildern. Es ist die absurde Grammatik des Überwachens, die er sichtbar macht. Mehrfach hat Kowalski bereits die Perspektive des Überwachens untersucht: in Interrogation Room (2009) den voyeuristischen Blick in einen Verhörraum, in Elements (2006) die automatisierten Bilder aus Wetter- und Verkehrskameras.

Von derselben Überzeugungskraft ist eine zweite Arbeit: In einer Splitscreen-Projektion führt Kowalski das Scheitern, aus privater Erinnerung und historischen Bildern ein stimmiges Narrativ zu bilden, formal anspruchsvoll vor.  (Anne Katrin Feßler / DER STANDARD, Printausgabe, 19.1.2012)