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Wien - Jede Freiheit braucht ihre Theorie. Am Beginn von Empire Me erklärt Erwin Strauss, Autor des in den 80er-Jahren erschienenen Buchs How to Start Your Own Country, warum die Entwicklung in Richtung einer Welt der Mikrostaaten gehen würde: Während nämlich große Nationen Angriffsziele terroristischer Anschläge böten, würden kleine Gesellschaften unabhängig agieren können.

Diese krude Theorie bildet das Fundament, auf dem der österreichische Filmemacher Paul Poet seine Untersuchung sechs solcher Mikrokosmen aufbaut. Wobei es hier weniger um eine große Idee als um den kleinsten gemeinsamen Nenner geht: der Suche nach Selbstverwirklichung.

Wer sich Strauss' Überlegungen zufolge also nicht erpressen lassen möchte, gründet auf einer ehemaligen Militärplattform mitten in der Nordsee ein Fürstentum und spekuliert mit einer eigenen Bank, deren Konten die Außenwelt nicht einsehen könne. Oder er schafft sich ein Königreich wie der australische Getreidefarmer Leonard Casley, der 1970 seine Sezession vom Commonwealth erklärte und sich als Touristenattraktion vermarktet.

Bereits die ersten Schauplätze zeigen den engen Horizont aller Beteiligten: hier bizarre Miniaturstaaten, die bis hin zu Passkontrolle und Ritterschlag ein System nachbilden, dem sie zu entfliehen vorgeben - dort ein Regisseur, der sich zugunsten der Skurrilität keine Sekunde um historische Ursachen oder gesellschaftspolitische Zusammenhänge kümmert.

Prekär wird diese fehlende Haltung bei den nächsten Stationen von Poets affirmativem Reisekino: Nach einer Stippvisite bei der esoterischen Kommune Damanhur im Piemont, wo die Menschen gerne auf Bäumen wohnen, geht es weiter zum Gruppensex ins deutsche Belzig, wo in der "Lebensgemeinschaft Zegg" die Selbsterfahrung im Ölbad ihren Höhepunkt erreicht. Was man hier zu sehen bekommt, sind jedoch Menschen, die ihre Rollen mit bitterer Ernsthaftigkeit spielen - und das womöglich nicht freiwillig.

Von gegen die Globalisierung kämpfenden "Königen, Piraten, Träumern" spricht Poet in seinem die Substanzlosigkeit der Bilder verdoppelnden Kommentar, doch im Grunde ist Empire Me seinen alternativen Visionen zum Trotz ein rückständiger Film.

In Wahrheit liegt die Herausforderung nicht im Aussteigen, sondern im grenzüberschreitenden Zusammenhalt, und die New Yorker Wall Street zu besetzen hat definitiv größeres Potenzial als eine alte Betonplattform im Ozean. (Michael Pekler, DER STANDARD - Printausgabe, 21./22. Jänner 2012)