Frankfurt - Griechenland gilt nach Einschätzung von Investoren nicht als einziger möglicher Pleitekandidat der Eurozone. "Portugal gerät als nächstes in die Schusslinie", warnt Michael Cirami, Portfolio-Manager beim Vermögensverwalter Eaton Vance. Dabei sei unerheblich, ob sich Griechenland mit seinen privaten Gläubigern über einen Schuldenschnitt einigen könne oder nicht.

Ähnlich sieht es Volkswirt Gilles Moec von der Deutschen Bank. Die jüngste Welle von Herabstufungen durch die Ratingagentur Standard & Poor's (S&P) habe allein bei Portugal für Kursturbulenzen gesorgt, weil hier mehrere Risikofaktoren zusammenkämen. "Die Überschuldung des Privatsektors liegt auf dem Niveau von Spanien und die öffentliche Hand ist ähnlich hoch verschuldet wie in Italien. Dazu kommt die Rezession."

Das Misstrauen der Anleger in die Zahlungsfähigkeit Portugals lässt sich unter anderem an den Anleihe-Renditen ablesen. Seit dem S&P-Rundumschlag vor einigen Tagen stiegen jene der richtungsweisenden zehnjährigen Papiere zeitweise um mehr als drei volle Punkte auf ein Rekordhoch von 15,781 Prozent. Die Renditen für die vergleichbaren Bonds aus Frankreich und Italien, die von S&P ebenfalls herabgestuft worden waren, blieben weitgehend stabil oder gingen sogar zurück. Die Preise für Kreditausfallversicherungen (Credit Default Swaps, CDS) implizieren, dass der Markt die Wahrscheinlichkeit eines Zahlungsausfalls Portugals auf 66,8 Prozent taxiert.

Für den Rentenexperten Filipe Silva von der Banco Carregosa signalisieren die Anleihekurse, dass die Anleger langfristig mit einem Schuldenschnitt rechnen. "Ob es dazu kommt oder nicht, lässt sich aber noch nicht sagen. Denn Portugal hatte nicht genügend Zeit, um zu beurteilen, ob die Sparmaßnahmen den erhofften Erfolg haben." Analystin Elisabeth Afseth von Investec Capital Markets zweifelt an der Geduld der Investoren. "Die Finanzmärkte werden Portugal diese Zeit nicht geben. Die Frage ist nun: Wird Europa Portugal diese Zeit geben?"

Carregosa-Experte Silva geht daher davon aus, dass die Regierung in Lissabon zusätzliche Hilfen beantragen wird. Bislang sieht Regierungschef Pedro Passos Coelho hierfür keine Veranlassung. Auch Deutsche Bank-Volkswirt Moec plädiert dafür, Portugal über 2013 hinaus finanziell unter die Arme zu greifen, "damit die Haushaltskonsolidierung und die Strukturreformen Früchte tragen können." Bei derzeitigem Stand müsste sich das Land ab der zweiten Hälfte 2013 wieder über langfristige Anleihen eigenständig am Bondmarkt refinanzieren. (APA/Reuters)