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Länger arbeiten im Leben, nicht unbedingt mehr, das würde die Weltbank gerne sehen.

Foto: Reuters

Das europäische Wirtschaftsmodell muss angepasst, aber nicht aufgegeben werden. Zu diesem Schluss kommt die jüngste Studie der Weltbank mit dem Titel "Goldenes Wachstum: Den Glanz des europäischen Wirtschaftsmodells wiederherstellen".

Die Ökonomen der Weltbank machen dabei die zu geringe Lebensarbeitszeit der Europäer und eine damit einhergehende sinkende Produktivität als eines der Hauptprobleme für langfristiges Wachstum aus. Wer in Europa einen Arbeitsplatz habe, genieße große Sicherheit, für Arbeitslose hingegen gebe es relativ großzügige Leistungen, der Zugang zur Pension sei zudem eher leicht.
Die Studie weist auch darauf hin, dass Europa "zu einer Lifestyle-Supermacht mit wohl der höchsten Lebensqualität der gesamten Menschheitsgeschichte" geworden sei. Und das, obwohl die Realeinkommen ein Viertel unter denen der USA liegen.

Soziale Netze

Europa gebe mehr für das soziale Netz, Pensionen, Arbeitslosenversicherung und den Wohlfahrtsstaat aus als der Rest der Welt zusammen, heißt es in der Studie. Für viele europäische Länder sei das angesichts der Schuldenkrise aber nicht mehr erschwinglich. Und Europa verliere laufend an Wettbewerbsfähigkeit: "Bei einer schnell alternden Bevölkerung, sinkender Fertilität und ohne Änderung der Arbeits-, Einwanderungs- und Rentenpolitik wird Europa in den nächsten 50 Jahren ca. eine Million Arbeitskräfte jährlich verlieren."

Besonders die Lebensarbeitszeit müsse erhöht werden. Die Europäer arbeiten laut der Weltbank-Studie weniger Stunden pro Woche, weniger Wochen pro Jahr und weniger Jahre ihres Lebens als Arbeitnehmer in anderen Regionen der Welt.

Der Schluss daraus: Ein Großteil der europäischen Länder müsse vor allem die Lebensarbeitszeit erhöhen. "Wenn richtig implementiert, bedeuten Reformen der Arbeitsmärkte und sozialen Schutzsysteme, dass Europäer weniger Stunden pro Woche und weniger Wochen im Jahr arbeiten können. Es ist aber nicht möglich, die Staatsfinanzen zu sanieren, wenn die Menschen auch weniger Jahre im Leben arbeiten." Außerdem müsse jungen Menschen der Zugang zum Arbeitsmarkt erleichtert werden. Genauso wie Zuwanderer vermehrt angeworben werden sollen, die dann aber auch besser ausgebildet sein müssten.

Produktivität

Das Thema Arbeit beleuchtete jüngst auch eine Studie des französischen, arbeitgebernahen Wirtschaftsforschungsinstituts Coe-Rexecode. Demnach leisten vollbeschäftigte französische Arbeitnehmer jährlich 1.679 Stunden Arbeit, ihre deutschen Kollegen dagegen 1.904. Österreich liegt in dieser Auswertung mit weniger als 1.850 Stunden im oberen Mittelfeld.

Andere große EU-Staaten wie Spanien und Italien, aber auch Irland, Belgien und Luxemburg liegen bei der durchschnittlichen Arbeitszeit zum Teil deutlich hinter Österreich. Mehr gearbeitet wird in Ländern wie Rumänien (2.095 Stunden) und Ungarn (2.021). Auch die griechischen Vollzeitbeschäftigten sind mit 1.971 Stunden pro Jahr etwas arbeitsamer als die Deutschen und um einiges strebsamer als die Österreicher. Erwähnenswertes Schlusslicht der Statistik sind hinter den Franzosen die Finnen mit 1.670 Jahresarbeitsstunden.

Noch fleißiger als die unselbstständig Beschäftigten sind laut einem Bericht der "Süddeutschen Zeitung" die Selbstständigen in Deutschland. Sie arbeiteten 2010 im Schnitt 2.459 Stunden im Jahr. Wer diese Arbeitszeit sogar noch übertrifft, das sind innerhalb der EU mit durchschnittlich 2.551 Stunden nur die Österreicher. (rb, rom, derStandard.at, 25.1.2012)