Wien - Die Zeitarbeit hat in Österreich weiter zugenommen: Mit 74.783 Zeitarbeitern bei der Stichtagserhebung (31. Juli 2011) waren um 13,2 Prozent mehr Arbeitnehmer als Zeitarbeiter beschäftigt als im Jahr davor. Damit wurde ein neuer Rekord an sogenannten "überlassenen Beschäftigten" erzielt. Rund 2,3 Prozent der Beschäftigten in Österreich sind Zeitarbeiter, also bei einem Unternehmen beschäftigt, das sie einem anderen Unternehmen zur Arbeit überlässt.

Der Trend zur Zeitarbeit, zur Flexibilisierung der Arbeit, werde weitergehen, erwartet Gerhard Flenreiss, Bundesobmann der Personaldienstleister in der Wirtschaftskammer Österreich (WKÖ): "Zeitarbeit ist die sicherste Form der flexiblen Arbeit, sicherer als etwa ein Freier Dienstvertrag". Die Übernahmen von Zeitarbeitern in die Stammbelegschaft werden sich jedoch eher gering halten.

Nachfrage stabil

Die Nachfrage nach Zeitarbeitskräften sei heuer im ersten Quartal relativ stabil, für das zweite Quartal gebe es schon große Unsicherheit bei den Erwartungen der Kunden, erläuterte Flenreiss heute Montag bei einer Pressekonferenz in Wien. Zuwächse werden saisonbedingt im Bereich Bau und Infrastruktur erwartet, hingegen rechne man in der Produktionsgüterindustrie mit schwächerer Nachfrage. Einen Ausblick ab dem zweiten Quartal will Flenreiss aus heutiger Sicht nicht machen. Zu groß sei die Unsicherheit bei den Unternehmen, insbesondere in der Industrie.

Gegliedert nach Bundesländern gab es per Ende Juli 2011 die meisten überlassenen Arbeitskräfte in Oberösterreich, gefolgt von Wien. Im Burgenland stieg die Zahl der Zeitarbeiter - ausgehend von einem niedrigen Niveau - um 95 Prozent. Rund ein Drittel der Leiharbeiter arbeitet in der Industrie, ein weiters Drittel im Gewerbe und das dritte Drittel ist in verschiedenen Bereichen, etwa im Gesundheitswesen, im Handel, bei Banken oder in der IT etc. tätig. Mit 80 Prozent ist der weitaus überwiegende Teil der Zeitarbeiter männlich. Ein Viertel der Zeitarbeiter sind Angestellte, drei Viertel Arbeiter.

Das Image der Zeitarbeiter sei in Österreich nach wie vor verbesserungswürdig, hieß es bei der Pressekonferenz der WKÖ. Flenreiss kann den schlechten Ruf nicht verstehen, da in Österreich Zeitarbeiter denselben Kollektivvertragslohnanspruch hätten wie deren Kollegen in der Stammbelegschaft. Bei einer Zeitarbeitsenquete soll das Phänomen von allen Winkeln beleuchtet werden. "Zeitarbeit verdient Anerkennung", lautete bereits eine Kampagne der WKÖ. Zeitarbeit ist jedenfalls keine vorübergehende Erscheinung, sondern hat sich in den vergangenen zehn Jahren mehr als verdoppelt: Im Jahr 2002 gab es erst 31.207 überlassene Arbeitskräfte, nun sind es fast 75.000.

Forderungen

Die Forderungen von Arbeitnehmerorganisationen, wie eine Höchstfrist für die Zeit der Überlassung an ein Unternehmen, oder eine maximale Quote von Zeitarbeitern in einer Firma, kann der Vertreter der Personaldienstleister in der WKÖ nicht nachvollziehen. Derartiger "Zwang" würde die Arbeitnehmer "bevormunden" und in das Recht beider Vertragsparteien auf freie Vertragsgestaltung eingreifen, meint er. Ob eine Übernahme in die Stammbelegschaft nach 6 oder 36 Monaten stattfindet, macht aus Sicht der WKÖ für den Arbeitnehmer keinen Unterschied. In Österreich jedenfalls sieht er die Vorwürfe, durch den Vormarsch der Zeitarbeit würde Lohn- und Sozialdumping passieren, nicht gerechtfertigt. "Zustände wie in Deutschland sind in Österreich rechtlich unmöglich". Bei den großen Firmen in der Branche gebe es auch fast überall Betriebsräte, sieht Flenreiss die Leiharbeiter gut vertreten.

Der Vorteil für den Arbeitgeber bei der Beschäftigung von Zeitarbeitern sei nicht etwa "billigere Arbeit", sondern "primär Flexibilität", betont Flenreiss. Ein Kostenvorteil ergebe sich höchstens bei den Systemkosten, also in der Personalabteilung, nicht aber bei den Lohnkosten. Der Kunde, also das Unternehmen, in dem der Zeitarbeiter tätig ist, habe eine "kurze Rücksendefrist", der Arbeitnehmer stehe dann aber nicht auf der Straße: Beim Zeitarbeitsunternehmen gelte eine Kündigungsfrist von mindestens 2 Wochen für Arbeiter, 6 Wochen für Angestellte. Dass zwei Drittel der Beendigungen von Zeitarbeitsverhältnissen keine Kündigungen, sondern "einvernehmliche Lösungen" sind, zeige keineswegs Druck auf Zeitarbeiter, die dadurch auf Ansprüche verzichten würden, sondern diese seien mündig genug um selbst zu entscheiden, meint Flenreiss. Den Forderungen der Arbeiterkammer Oberösterreich (AKOÖ) nach einer Zehn-Prozent-Höchstquote für Leiharbeiter sowie einer Einschränkung der einvernehmlichen Lösungen kann der Wirtschaftskämmerer überhaupt nichts abgewinnen. (APA)