Grund für die Überlänge (ca. 174 Minuten) ist, dass es sich bei "Tipping the Velvet" um einen TV-Dreiteiler der BBC handelt, der sich für "identities" auf der großen Leinwand entfalten darf. Zu Recht, da die Serie mit mehr optischer Fülle aufwartet als so mancher fürs Kino gedrehte Film. Rasante Kamerafahrten, Zeitlupen- und -raffereffekte, schnelle Schwenks und Schnitte lassen ein wenig den Eindruck entstehen, dass Geoffrey Sax mit Absicht einen Gegenentwurf zur James Ivory-esken Elegie wählte, in der Historienverfilmungen vor allem aus Großbritannien in den vergangenen Jahrzehnten schwelgten.
So gestaltet sich die auf einem Roman von Sarah Waters ("Die Muschelöffnerin") basierende Geschichte des Austernmädchens Nan Astley, das von der Zofe zur Bühnen- und schließlich auch Liebespartnerin einer cross-dressenden Variete-Darstellerin wird und so Aufnahme in die düster-sinnliche Halbwelt des viktorianischen London erlangt, als buntes Panoptikum einer äußerlich in Konventionen erstarrten, unter der Fassade jedoch vor Leben und Lieben brodelnden Epoche.
Manches - etwa die Sexszenen - würde anders aussehen, wenn die Serie von einem lesbischen Team gedreht worden wäre, konstatierte Sarah Waters, die sich mit der Verfilmung ihres Buchs ansonsten aber zufrieden zeigte. Langweilig werden die drei heißen Stunden jedenfalls mit Sicherheit nicht.