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Die 70 Inseln von Ngerukewid sind heute ein Nationalpark und dürfen weder betreten noch betaucht werden. Der Blick aus der Luft, wie ihn etwa Aba Sky anbietet, ist die beste Möglichkeit, sich den grünen Gugelhupfen zu nähern.

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Foto: Keren Su/Corbis

Anreise: China Airlines ist die einzige Fluglinie, die von Wien aus mit nur einem Zwischenstopp via Taipeh nach Palau fliegt. Zwei Flüge pro Woche. Sam's Tours ist die größte Tauchbasis auf Palau. Rundflüge über die 70 Inseln von Ngerukewid bietet Aba Sky an. Weitere Infos zu Palau allgemein.

Grafik: DER STANDARD

Manche fühlen sich an wie eine Handvoll Marmelade. Andere, etwas festere Kollegen vermitteln den Eindruck von sich rhythmisch bewegender Götterspeise. Doch im Gegensatz zu den meisten Quallen auf der Welt sind die durchsichtigen Wackelpuddingtiere im Jellyfish Lake, die bis zu 25 Zentimeter groß werden können, völlig ungefährlich.

"Ihr braucht keine Angst zu haben", sagt Richard Barnden, Divemaster bei Sam's Tours. Der wasserliebende Brite lebt hier schon seit fünf Jahren und entführt Taucher und Schnorchler regelmäßig zu den schönsten Plätzen im Inselparadies. "Nachdem die Quallen in diesem eingeschlossenen Salzwassersee ohne natürliche Feinde leben, haben sich ihre giftigen Tentakel in den letzten Jahrtausenden ganz zurückgebildet. Nutzt die Gunst der Evolution! So nah wie hier werdet ihr euch einer Medusa ohne Nesselung nie wieder nähern können." Und rein ins Gewurl. Der Ongeim'l Tketau, auch Jellyfish Lake genannt, wird von rund sechs Millionen Quallen bevölkert und zählt zu den beliebtesten Destinationen Palaus. Rund tausend Kilometer östlich von den Philippinen und ebenso weit von Indonesien und Papua-Neuguinea entfernt, bietet der mikronesische Kleinstaat ökologische Lebensbedingungen, wie sie nirgendwo sonst auf der Welt zu finden sind. "Ich tauche schon seit einer halben Ewigkeit", sagt der 32-jährige Sonnyboy Richard. "Aber so eine Artenvielfalt und solche einzigartigen Bedingungen wie auf Palau habe ich noch nie zuvor gesehen."

Der Grund ist einfach: Palau hat keinerlei Industrie und nur wenig Viehzucht und Landwirtschaft. Bis auf Fisch, Meeresfrüchte und einige wenige Gemüsesorten wie etwa Maniok oder Süßkartoffeln müssen praktisch alle Produkte und Nahrungsmittel für die 21.000 Einwohner und rund 90.000 Touristen pro Jahr vom Festland importiert werden. Das ist aufwändig und teuer, doch dafür ist das Ökosystem weitestgehend intakt. Hinzu kommt, dass vor den Küsten Palaus viele japanische und amerikanische Wracks aus dem Zweiten Weltkrieg liegen. Die zerbombten Flugzeuge und Schiffe dienen den Fischen und Korallen als künstliches Riff.

Es ist ausgerechnet die Natur, die den 356 tropischen Inseln Palaus am meisten zu schaffen macht. Die größte Gefahr ist El Niño. Schon einmal, im Dezember 1998, waren die überaus temperaturempfindlichen Medusen im Jellyfish Lake fast ausgestorben. Um die fragile Balance zwischen Fauna und Flora aufrechtzuerhalten, stehen große Teile des Landes unter Naturschutz. Die 70 Inseln von Ngerukewid, die wie samtig grüne Gugelhupfe aus dem Wasser ragen, wurden 1981 zum Wildlife-Nationalpark ernannt. Der Zutritt ist strengstens verboten. In der 2005 initiierten "Micronesia Challenge", einem Naturschutz-Abkommen der westpazifischen Länder, verpflichtete sich Palau zudem zum Schutz von Wald und Küste. Und im September 2009 wurde das nationale Gewässer rund um den Inselstaat zum Hoheitsgebiet für Haie erklärt. Derzeit bemüht sich Palau um die Aufnahme in die Liste des Unesco-Weltnaturerbes. Das Verfahren ist im Laufen.

Dschungelcamp

Eine australische Studie, die vor einigen Monaten veröffentlich wurde, hat ergeben, dass der Erhalt von Großfischen den Palauanern deutlich mehr Geld einbringt als der Verkauf des Fleisches. Als Tourismusmagnet sind Haie lukrativer als auf dem Suppenteller. Schon heute machen Haitouren rund acht Prozent des Bruttoinlandsprodukts des Landes aus. "Die meisten Touristen, die hierher kommen, sind Taucher", bestätigt Denius Rengiil, 43 Jahre alt, einer der wenigen Taxifahrer auf der Hauptinsel Babelthuap. "Es gibt immer mehr Gäste aus dem Ausland, was sehr gut ist, weil wir dadurch viel Geld einnehmen. Die meisten kommen aus Japan, Südkorea und Taiwan sowie aus den USA. Aber eines haben sie alle gemeinsam: Sie reden alle nur von Mantas und von Haien."

"Der Tourismus ist in der Tat die wichtigste Einnahmequelle für uns", sagt Browny Salvador, Gouverneur und Abgeordneter im palauanischen Parlament. "Von der Fischerei alleine werden wir nicht reich, denn die reicht gerade mal, um uns selbst zu versorgen. Nur ein ganz kleiner Bruchteil wird exportiert. Daher sind wir auf die Tauchtouristen angewiesen." Zufällig begegnen wir dem 60-jährigen Politiker - Hemd, Krawatte, kurze Hose - mitten im Dschungel. Er sitzt auf einem Stein vor dem Parlament, ein Teller Muschelsuppe in der Hand, und blickt in die Landschaft. "Ja, ich weiß, wir sind eine kleine, lustige Demokratie. Und ich wette, wir sind das einzige Land der Welt, dessen Hauptstadt unbewohnt ist!"

Und das ist kein Witz. Früher befand sich der Regierungssitz in der Wirtschafts- und Tourismusmetropole Koror im Süden der Insel. 10.000 Menschen leben hier. Doch nachdem die 35 Kilometer lange Anfahrt für die wenigen Abgeordneten aus dem Norden den Palauanern eines Tages nicht mehr zumutbar schien (kein Wunder bei einer zugelassen Höchstgeschwindigkeit von 25 Meilen pro Stunde auf offener, asphaltierter Landstraße), verlegten sie die Hauptstadt prompt ins Landesinnere, mitten in den Dschungel. Die 2006 errichtete Melekeok City besteht aus einem riesigen Parlamentsgebäude mit einem unendlich großen Parkplatz rundherum. Null Einwohner. Das war's. Das vanillegelbe Haus wurde mit EU-Geldern erbaut und ist ein etwas fantasievoll interpretierter Nachbau des Washingtoner Capitols. Der größte Unterschied: Das gesamte Gebäude ist aus Holz. "Ich weiß nicht, ob es sehr klug war, die Hauptstadt zu verlegen", sagt Salvador. "Jetzt pendeln die ganzen Südpalauaner mit dem Auto Tag für Tag nach Norden. Eine gute Ökobilanz sieht jedenfalls anders aus."

Papageienfischpaarung

Richard Barnden schüttelt den Kopf. "Ich lebe hier schon seit fünf Jahren, aber bis zum heutigen Tag muss ich lachen, wenn ich daran denke, wie sich Palau über Wasser hält. Ich verstehe dieses Land nicht." Richards Welt ist unter Wasser. Erst vor vier Monaten hat er durch Zufall einen Tauchplatz entdeckt, an dem bei jedem Neumond Tausende von Büffelkopf-Papageifischen zum Paarungszeremoniell zusammentreffen. Das Spektakel der bis zu 1,30 Meter großen Männchen und Weibchen ist atemberaubend. Es ist weltweit der einzig bekannte Ort, an dem das Balzritual regelmäßig beobachtet werden kann. Und es geht deutlich wilder zu als bei den langsam zuckenden Tieren aus Marmelade. (Wojciech Czaja/DER STANDARD/Rondo/03.02.2012)