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Proteste gegen die Jobmisere in Rom.

Foto: APA/EPA/Massimo Montani

"Eine Arbeit fürs ganze Leben ist monoton": Italiens Premier Mario Monti bringt mit seinem Sager Gewerkschaften auf. Dabei hat Monti versprochen, mehr Sicherheit für junge Arbeitssuchende zu schaffen.

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Wien/Rom - Nachdem der italienische Premier Mario Monti seinen jungen Landsleuten eine flexiblere Lebensweise ans Herz gelegt hat, ist die Aufregung perfekt. "Ein Leben lang am selben Arbeitsplatz zu bleiben ist monoton", dozierte Monti in der Talkshow Matrix. Die Linkspartei FDS forderte daraufhin die fristlose Entlassung des Regierungschefs, Gewerkschaften zeigten sich empört, auf Montis Facebook-Seite hagelte es Kritik. Das Statistikinstitut Istat hatte erst Anfang der Woche einen Negativrekord vermeldet, wonach 31 Prozent der unter 24-Jährigen ohne Job dastehen. Angesichts dieser Zahlen warfen Monti viele Zynismus vor.

Dabei hätte der Premier guten Grund, sich ungerecht behandelt zu fühlen. Monti hatte in den vergangenen Wochen wiederholt erklärt, für mehr Arbeitsplatzsicherheit bei den Jungen sorgen zu wollen. Der Hintergrund ist, dass Italiens Arbeitsmarkt extrem gespalten ist: Wer länger im System ist, insbesondere in der Industrie, genießt hohen Kündigungsschutz und Langzeitverträge. Besonders einzelne Kontrakte lassen sich nur schwer auflösen. Dagegen erhalten neun von zehn jungen Jobsuchenden nur befristete Stellen ohne jeden Schutz.

Für den italienischen Ökonomen Stefano Micossi sind beide Phänomene miteinander verbunden: "Weil die Hürden für die Kündigung fixer Angestellter hoch sind, weichen Unternehmen aus und beschäftigen Junge nur mehr in prekären Arbeitsverhältnissen." In diese kurz gebundenen Kräfte werde kaum investiert, was einer der Hauptgründe für den Produktivitätsrückgang in Italien sei, so Micossi. Die unterschiedliche Lage am Markt zeigt sich deutlich in den Statistiken: Die Arbeitslosigkeit bei Männern über 25 Jahren ist mit 8,4 Prozent vergleichsweise moderat. Bei Jungen, besonders Frauen, war die Misere dagegen bereits vor der Krise akut.

Allerdings warnen Arbeitsmarktforscher davor, Flexibilität als Allheilmittel zu sehen.

Kaum ein Jobmarkt ist so flexibel wie der irische. In den OECD-Statistiken gilt Irland als eines der Länder mit den laxesten Regelungen zu Kündigungsschutz. Trotzdem liegt die Arbeitslosigkeit in Irland bei 14,5 Prozent. Und bei den Jungen sieht es nicht viel besser aus als in Italien: 29 Prozent der unter 25-Jährigen sind arbeitslos. Dabei hat sich die irische Konjunktur im vergangenen Jahr gut entwickelt.

"Flexible Arbeitsmärkte haben einen gefährlichen Aspekt", meint der deutsche Arbeitsmarktforscher Herbert Brückert dazu. Wenn die Wirtschaft einbricht, schlage die Krise in Ländern mit schwach reguliertem Arbeitsmarkt voll durch. "Ist die Krise vorbei, verbessert sich die Lage aber nur langsam", sagt Brückert. Schließlich haben Unternehmen kaum Lust, Menschen einzustellen, die länger ohne Job waren. "Arbeitslose haben oft keine Möglichkeit, sich fortzubilden. Hinzu kommen psychologische Folgen, die viele Unternehmer fürchten."

Doch Brückert weißt auf einen anderen zentralen Punkt hin: die interne Flexibilität von Unternehmen. In einer Studie des Nürnberger Instituts für Arbeitsmarktforschung hat Brückert festgestellt, dass 60 Prozent der deutschen Unternehmen über Arbeitszeitkonten verfügen. Das heißt, Überstunden werden nicht ausbezahlt, sondern gutgeschrieben. In Zeiten schwacher Konjunktur nutzen die Arbeitnehmer dann den Zeitausgleich. "Gemeinsam mit den Möglichkeiten zur Kurzarbeit ist das einer der Gründe gewesen, warum der deutsche Arbeitsmarkt die Krise relativ stabil überstanden hat", so Brückert. In Italien dagegen nützen nur wenige Unternehmen flexible Arbeitszeitmodelle, sagt sein italienischer Kollege Micossi. (András Szigetvari, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 4./5.2.2012)