Bregenz - Auch ihre dritte Karriere ist ein Erfolg. Yvonne Rainer (77), eine Protagonistin des einflussreichen Judson Dance Theater im New York der 1960er-Jahre, gibt in einer großzügig angelegten Ausstellung im Kunsthaus Bregenz Einblicke in ihr Lebenswerk.

Zum Auftakt wurden im Bregenzer Landestheater auch zwei der aktuellen Stücke der amerikanischen Choreografin, Tänzerin und Filmemacherin gezeigt: "Spiraling Down und Assisted Living: Good Sports 2".

Eigentlich hatte Rainer bereits 1975 dem Tanz abgeschworen und sich als feministische Filmschaffende etabliert. "Ich wollte mit Erzählungen über politische Inhalte arbeiten", sagt sie dazu. Aber vor rund zwölf Jahren hat es sie doch wieder gepackt.

Zum einen war es schwieriger geworden, Geld für ihre Filme aufzutreiben, und zum anderen wurde sie als Choreografin "wiederentdeckt": Der New Yorker Tanzstar Michail Baryshnikov beauftragte sie, ein neues Stück zu erarbeiten. Es hieß "After Many a Summer Dies the Swan", Baryshnikov tanzte mit, und das New Yorker Publikum war begeistert.

Nun jubelten auch ihre Zuschauer am Bodensee. "Spiraling Down" und "Assisted Living: Good Sports 2" leben von einer raffinierten Mischung aus leichtfüßigem Tanz mit ironischem Unterfutter und Textpassagen, die den visuellen Augenschmaus konterkarieren und ihre vorgebliche Harmlosigkeit ins Abgründige verzerren.

Entspannt und locker wirken Rainers kleine Gruppen auf der Bühne, denn die postmoderne Idee vom Tanz kennt keine diszi-plinierenden Techniken. Auf den Minimalismus von früher verzichtet die Choreografin heute. Ihr Tanz ist ausgesprochen materialreich, gespickt mit Zitaten von Fred Astaire über Elvis Presley bis hin zu Vaclav Nijinsky. "Spiraling Down" kommt mit einem Text über einen Läufer und Schriftsteller daher, in dem es unvermittelt heiß: "Fortschritt?" - "Scheiß drauf!" "Blackberry?" - "In den Müll damit!" "Expansion?" - "Schrumpfung!" Als Musik wird Maurice Ravels "Boléro" nachgeschoben.

Ausgeklügelt auch die Textauswahl in "Assisted Living: Good Sports 2". Zitate verschiedener AutorInnen werden miteinander verwoben, und am Ende steht die Warnung eines amerikanischen Höchstrichters vor jenen Grauzonen im Übergang zur Unterdrückung, in denen "alles scheinbar unverändert ist". Gerade da brauche es alle Aufmerksamkeit.

Yvonne Rainer ist also ganz die Aufklärerin geblieben, die sie schon in den 1960ern war. Wenn sie heute eine für das ohnehin von allen Medien und einer Flut an Reizen geblendete Auge möglichst wenig belastende Form wählt, dann offenbar, um den Texten mehr Raum zu geben. Mit Erfolg. In beiden Arbeiten verstärkt die Performance den ihr zugeschriebenen Text.

Die Bregenzer Ausstellung dokumentiert alle drei Karrieren der Künstlerin. In zwei Kinoräumen sind jüngere Stücke zu sehen. Eine ganze Etage ist Rainers Zeit als Filmemacherin gewidmet - es sind auch tatsächlich alle sieben Filme zu sehen. Und ein weiteres Stockwerk bietet dokumentarische Schätze aus den 1960er- und 1970er-Jahren: wackelige Schwarz-weiß-Videos, Poster, Programme, Stückentwürfe, Notizhefte und Fotos.

Sie zeigen, was das Judson Dance Theater geleistet hat: das Zusammendenken von Demokratie und Körper, das Einbringen von politischen Themen in den Tanz und eine Erweiterung seiner Möglichkeiten. (Helmut Ploebst, DER STANDARD, Printausgabe 4./5.2.2012)