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Die Wartezimmer werden voller, die niedergelassenen Ärzte werden weniger.

Foto: dapd/Koch

Wien - In den Wartezimmern der österreichischen Ärzte gibt es zwangsläufig mehr Gedränge. Während seit dem Jahr 2000 die Zahl der Einwohner zunahm (von damals 8.011.556 Personen auf 8.387.742 im Jahr 2010), sank die Zahl der niedergelassenen Ärzte mit Kassenvertrag von 8.491 auf 7.638. Kamen im Jahr 2000 rund 944 Einwohner auf einen Kassenarzt, waren es im Jahr 2010 bereits 1.098 Einwohner. Das ergibt eine aktuelle Analyse der Österreichischen Ärztekammer. Christian Euler vom Hausärzteverband sieht einen Grund dafür darin, dass der Beruf des Allgemeinmediziners - auch finanziell - unattraktiver geworden ist.

"Stillstand bedeutet Rückschritt"

Wartezeiten in den Ordinationen von Allgemeinmedizinern selbst und erst recht die Wartezeiten auf Termine bei niedergelassenen Fachärzten sorgen seit Jahren für Diskussionen - auch für solche über "Zwei-Klassen-Medizin". Die Statistiker der Ärztekammer stellten die Bevölkerungsentwicklung zwischen 1990 und 2010 den Daten des Hauptverbandes der Sozialversicherungsträger über die Zahl der Ärzte mit Kassenvertrag im gleichen Zeitraum gegenüber. Generell nahm laut den Daten zwischen 1990 und dem Jahr 2000 die Zahl de Vertragsärzte zu, seither werden es aber weniger. Günther Wawrowsky, Bundeskurienobmann der niedergelassenen Ärzte in der Ärztekammer: "Die Vertragsdichte ist seit zehn bis 15 Jahren rückläufig. Dabei bedeutet schon Stillstand einen Rückschritt."

Was hier zum Tragen kommt: In den vergangenen 20 Jahren wurde eine fast hundertprozentige Versorgungsdeckung der Sozialversicherung unter der Bevölkerung erreicht. Auf der anderen Seite verringerte sich durch die demografische Entwicklung der Anteil der gesünderen, jüngeren Menschen, während die Prozentzahl der älteren und häufiger chronisch Kranken anstieg. Allein die Zahl der unter 14-Jährigen in Österreich nahm im Beobachtungszeitraum um rund 50.000 ab. 

Schlechtes Bild vom Allgemeinmediziner

Für die sinkende Kassenärztedichte im Bereich der Allgemeinmediziner hat Christian Euler, Präsident des Österreichischen Hausärzteverbandes, viele Erklärungen. Der Beruf des Allgemeinmediziners sei unattraktiver geworden. Schon während des Medizinstudiums werde vermittelt, der Allgemeinmediziner sei inkompetent, die Studenten würden während ihres Studiums "viele Schnurren" hören, wie "blöd" die Hausärzte seien. In ganz Österreich existiere nur ein qualitativ hochwertiger Lehrstuhl für das Fach Allgemeinmedizin, und zwar in Salzburg. An den Lehrkrankenhäusern würden in erster Linie Fachärzte unterrichten, die wenig Verständnis für die Arbeit eines Allgemeinmediziners hätten. "Es hat ein tiefe Tradition, dass sich Fachärzte für unverzichtbar halten", sagte Euler zu derStandard.at.

Kein Vertrauensverhältnis in Ambulanz

Doch auch Allgemeinmediziner seien aus vieler Hinsicht unverzichtbar für das Gesundheitssystem und für die Patienten. "Wir wissen aus Studien, dass Ärzte dann am besten behandeln können, wenn sie den Patienten mindestens zwei Jahre kennen", so Euler. Ein über Jahre hinweg entstandenes "besonderes Vertrauensverhältnis" und die Kenntnis der Krankengeschichte aus erster Hand könnten auch durch eine noch so gute Fachkraft in einer Ambulanz nicht ersetzt werden. Allgemeinmediziner würden auch Verantwortung für ihre Patienten übernehmen, wenn der Befund nicht so ausgereift ist, und gegebenenfalls zuwarten, Hausbesuche abstatten und mit ihren Patienten wenn nötig ist auch telefonischen Kontakt halten. "So ersparen wir unseren Patienten auch viele unnötige Untersuchungen."

"Vor Fachgesellschaft schützen"

Eine wichtige Aufgabe sei es außerdem, die Patienten vor den Fachgesellschaften zu schützen, "die das Sprachrohr der Industrie sind", so Euler. Er sei unzumutbar, was ein Internist einem Menschen alles zum Schlucken anbiete. "Wir Hausärzte müssen dem entgegentreten." Als Hausarzt kämpfe er zudem mit "Misstrauenskultur der Bürokraten". Für seine Patienten habe er immer weniger Zeit, da die Dokumentation seiner Arbeit und die Abklärungen mit den Chefärzten immer mehr Raum einnähmen.

Mehr Arbeit, weniger Geld

Der Job des Allgemeinmediziners werde auch aus finanzieller Sicht immer unattraktiver. "Ich würde mich schämen, über wirtschaftliche Dinge zu klagen. Aber Fakt ist: Heute muss ich wesentlich mehr arbeiten, um das gleiche Geld zu verdienen", sagt Euler. Er sei Landarzt in Rust im Burgenland und habe nicht mit Existenzängsten zu kämpfen. Anders sei das bei seinen Kollegen in der Stadt, die "von Fach- und Pseudofacheinrichtungen umzingelt sind". Für diese Entwicklungen macht Euler die Gesundheitspolitik verantwortlich: "Wir Hausärzte sind der Politik offenbar nichts wert." (APA/burg, derStandard.at, 6.2.2012)