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Die Übungsabfolge beim heißen Yoga ist immer dieselbe.

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Das so schnell wachsende Angebot von Bikram-Yoga in Wien zeigt: Das "Schwitz-Yoga" liegt schwer im Trend.

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Bikram-Yoga: eine Impression.

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Der Oberkörper wird im Knien so weit nach hinten gebogen, dass die Finger die Zehen erreichen. Der Körper soll bei der Yoga-Übung namens "Kamel" einen Kreis bilden - wenn sie denn gelingt. Doch angesichts der im Raum herrschenden Hitze und der ungewohnten Haltung ist das nicht annähernd der Fall.

Ein bisschen Dehnen, ein bisschen Hitze - kein Problem, dachte ich vor dem Selbstversuch. In einer Jahreszeit, in der sich die Muskeln ständig vor Kälte zusammenkrampfen, könnte Bikram-Yoga, salopp "Schwitz-Yoga" genannt, genau das Richtige für eine neue Art der körperlichen Ertüchtigung sein, der ich sportlich bestimmt gewachsen wäre. Dachte ich.

Vor etwa einem Jahr eröffnete ein am Donaukanal gelegenes Bikram-Yoga-Studio in Wien. Damals gab es nur noch ein weiteres Studio in der Stadt, das diese spezielle Art des Yogas anbot. Mittlerweile sind weitere Studios dazugekommen, die Bikram-Yoga anbieten. Und es werden wahrscheinlich noch viele folgen. Denn Bikram-Yoga liegt im Trend unter den Sportbegeisterten - oder doch eher unter den Selbsterfahrungsgeneigten?

Eine Herausforderung ist es allemal für beide. Während "Yoga" eher Assoziationen an Meditation, an "sich selbst" oder zumindest "die Balance finden", weckt, richtet sich der Hitze-Aspekt an den sportlichen Ehrgeiz. Die zusätzlich zu den Heizkörpern angebrachten Strahler an der Decke heizen den Raum auf 38 bis 40 Grad, in dem die Yogis 90 Minuten dehnen, strecken und vor allem transpirieren. Kurz ins kühlere Vorzimmer huschen und kaltes Wasser ins Gesicht spritzen ist nicht erwünscht. Ist die Klasse erst einmal vollzählig, bleibt die Tür für die nächsten 90 Minuten zu.

Erst nur wohlig warm

Gut, dass mir vor dem Bikram-Yoga-Selbstversuch nicht alle diese Bedingungen klar waren. Das Studio kommt auf den ersten Blick sanft daher. Beim Eintreten in den Vorraum war von Hitze noch nichts zu spüren, nur wohlige Wärme umarmt mich. Das Ikea-Schuhregal neben der großen Eingangstür wirkt familiär, und gleich um die Ecke stehen auf einem Wohnzimmertisch frische Früchte, die Bänke rundherum sind wohl für einen kurzen Post-Yoga-Plausch gedacht.

Mit der Ruhe ist es spätesten nach der ersten Kurzinstruktion am Empfang und einigen eindringlichen "Gehe es ganz langsam an"- und "Einfach immer schön atmen"-Ratschlägen vorbei. Eine Yoga-Klasse hat gerade Schluss, und als nass geschwitzte Menschen aus dem "Hot Room" drängen, steigert sich die bisher behagliche Wärme langsam ins Unangenehme. Die Kleidung muss weg, allen anderen nach in die Umkleidekabine.

"Hat man voll nicht gesehen!"

Auf dem Weg dorthin komme ich an einer kleinen Gruppe vorbei, die sich nach einer Hot-Yoga-Einheit mit Tee und Früchten stärkt. "Echt? Du warst heute das erste Mal? Das hat man voll nicht gesehen, voll überhaupt nicht." Der gelobte Bikram-Yoga-Neuling mit Badehose, nacktem Oberkörper, klatschnassen Haaren und gerötetem Kopf nascht aus der Obstschale und genießt die Anerkennung für seine Leistung. Doch um die soll es natürlich nicht gehen, oder?

"Das Interessante an diesem Yoga ist, dass immer wieder die gleichen Übungen kommen - da kann man gut beobachten, wie man besser wird", erzählt die zierliche Bikram-Yoga-Anhängerin Martha, die seit drei Montanen regelmäßig ins Studio am Donaukanal kommt. Am Anfang habe sie sich bei einigen Übungen gar nicht getraut mitzumachen, sagt sie. Die Kamel-Pose war so eine, "aber die kann ich jetzt - seit zwei Wochen", meint die 26-Jährige nicht ohne Stolz.

"You look awesome!"

Doch in der ersten Stunde erscheinen Erfolgserlebnisse schier unerreichbar. Die riesigen Spiegel an den Wänden zeigen lediglich die ungelenken Verrenkungen, Gnade lässt nur die US-amerikanische Gastlehrerin mit regelmäßigen Ermunterungen walten: "You look awesome!" oder "Beautiful!" tönte es immer wieder von ihrer Yoga-Matte, die mitten im Raum auf einem kleinen Podest liegt. Als Anfängerin werde ich von ihr immer wieder darauf hingewiesen, nur so weit die Übungen zu machen, wie es möglich erscheint. Geduld und Aufmerksamkeit auf kleine Fortschritte - diese Botschaft hallt für die ganze Klasse durch den mittlerweile tropisch-feuchten Raum, der mehr als nur gut gefüllt ist. Zwischen den Matten bleibt kaum Platz, mit mir turnen etwa 20 andere, die meisten davon sind zwischen 25 und 45 Jahre alt.

Die Übungsabfolge beim heißen Yoga ist immer dieselbe. Eröffnet wird mit einer Atemübung, dann folgen 26 sogenannte Asanas, ein Ablauf, den sich der Yogameister Bikram Choudhury sogar schützen ließ. Auf den Fotos auf seiner offiziellen Website erinnert er in seiner bevorzugten Garderobe - Satin-Anzüge, Hut und große Sonnenbrille - eher an einen Schlagerstar als an einen Yoga-Meister: Mal präsentiert er sich flankiert von zwei Sambatänzerinnen, mal in Aktion als Yoga-Profi, der auch stolzer Träger des Titels "National Indian Yoga Champion" ist. In einer riesigen Halle, Matte an Matte und perfekt choreographiert, lernen die zukünftigen Bikram-Yoga-Lehrer und -Lehrerinnen von ihrem Guru. Bikram steht auf einem Podest, bekleidet ist er lediglich mit einem Headset und einer kurzen Hose.

Doppelbelastung

Auch in meiner deutlich kleineren Yoga-Klasse riecht es inzwischen so, als ob im Hot Room hunderte Körper schwitzen würden. Während unsere Yoga-Trainerin immer wieder zum intensiven Atmen anleitet, fällt mir das dank des schier unerträglich werdenden Schweißgeruchs immer schwerer. "Der einzige Weg zum Himmel ist der durch die Hölle" ist eines der vielen Bikram-Zitate, die die verschiedenen Yoga-Studios auf ihren Seiten verewigen, und spätestens jetzt ist klar: Das hat Bikram nicht einfach so dahingesagt.

Von meiner geübteren Yoga-Kollegin erfahre ich später, dass gerade im Sommer die Klassen manchmal angenehm leer sind, "da mieft es dann eigentlich nie". Martha suchte für sich eine gelenkschonende Aktivität und stieß so auf Bikram-Yoga. "Für mich ist es in erster Linie Sport", meint sie. Das beim Bikram-Yoga nur in sehr geringem Maße vorhandene Spiritualitätsvokabular fehlt ihr ganz und gar nicht. "Ich finde es nur ein bisschen seltsam, wenn die Leute so ganz wenig anhaben - nur mit Sport-BH oder Badehose", sagt Martha. "Die sehen sich vielleicht einfach ganz gern im Spiegel herumturnen." Und tatsächlich bin ich während der Pausen, die ich im Gegensatz zu allen anderen einlegen muss, mit der Frage beschäftigt: Überprüfen die anderen mit ihren Blicken auf sich selbst nur ihre Yoga-Haltung, oder benützen sie vielleicht die Asanas, um in einem komplett verspiegelten Raum zu posieren?

Wie durchmassiert

Und auch die Hölle geht vorbei. Mit einer Atemübung schließen wir den Zyklus. Diese 90 Minuten bei gefühlten 50 Grad sollen nun jeden Muskel trainiert haben, der Körper ist entgiftet und die Dehnungen wurden dank der Wärme sicher und intensiver durchgeführt - das verspricht zumindest Bikram. Der Körper fühlt sich tatsächlich wie perfekt durchmassiert an, die kolportierte "Entgiftung" lässt sich freilich nicht überprüfen. Doch die Tatsache, dass es überstanden ist, stimmt milde, und somit wähne ich mich auch entgiftet. Und trotzdem: Der noch lange in der Nase sitzende Geruch verhindert den Wunsch nach mehr Bikram-Yoga. (derStandard.at, 7.2.2012)