Wien - Weil sie glaubte, zwei Frauen könnten ihre schwerbehinderte Tochter "gesund beten" bzw. sie von einem Fluch befreien, übergab eine Wiener Religionslehrerin ihren vermeintlichen Wohltäterinnen 60.000 Euro. Als die verzweifelte Mutter am Ende ihrer finanziellen Kräfte angelangt war, setzten sie die Frauen - eine 45-Jährige und ihre 20 Jahre alte Tochter - unter Druck: Das Kind werde sterben, wenn nicht weiter Geld fließe und für das Heil der Kleinen gebetet werde. Am Mittwoch sind die beiden wegen schweren gewerbsmäßigen Betrugs im Straflandesgericht zu teilbedingten Haftstrafen verurteilt worden.

Das Opfer hatte die ältere der Frauen im Februar 2009 im Foyer des Allgemeinen Krankenhauses (AKH) kennengelernt, wo sich jene - wie sich später bei den polizeilichen Ermittlungen herausstellte - regelmäßig aufgehalten haben und gezielt verzweifelt wirkende Frauen angesprochen und ihre Hilfe angeboten haben soll. Die 45-Jährige kam auf die desperate Lehrerin zu, streichelte deren dreijährige Tochter, die regelmäßig zu Kontrolluntersuchungen ins AKH gebracht werden muss, gab sich als "Maria" aus und meinte, Gott könne in diesem Fall helfen, wenn sie für das Kind bete.

"Niederträchtigkeit und Schamlosigkeit"

Dafür verlangte "Maria" Geld. Sogleich ging die Pädagogin zum Bankomaten und überreichte der ihr bis dahin völlig Unbekannten 1.000 Euro. "Diese Vorgangsweise ist an Niederträchtigkeit und Schamlosigkeit nicht mehr zu überbieten", schimpfte nun die Staatsanwältin über die Erstangeklagte. Die Akademikerin hätte sich nach einer Totgeburt nichts sehnlicher als ein Kind gewünscht und mit der schweren Behinderung der Tochter eine besonders schwere Last zu tragen gehabt.

In weiterer Folge forderte "Maria" laut Anklage immer höhere Geldbeträge, wobei sie die Verhandlungen ihrer Tochter, die sich fälschlicherweise "Samantha" nannte, überließ, da die 45-Jährige weder lesen noch schreiben kann und darüber hinaus besachwaltert ist: Ein psychiatrisches Gutachten bescheinigt ihr paranoide Schizophrenie, wobei allerdings keine Zurechnungsunfähigkeit vorliegen soll.

Die Religionslehrerin löste ihren Bausparvertrag auf und machte ihre gesamten Ersparnisse flüssig, um die finanziellen Forderungen erfüllen zu können. Als ihr der Tod ihrer Tochter in Aussicht gestellt wurde, sollten die Gebete nicht anhalten, nahm sie sogar einen Kredit in Höhe von 15.000 Euro auf.

"Es war so suggestiv und so manipulativ. Ich konnte dem nicht standhalten. Ich konnte mich dagegen einfach nicht wehren", erklärte das Opfer im Zeugenstand. Sie habe "einfach eine permanente Angst gehabt" und befürchtet, ihr Kind könne sterben, wenn sie nicht weiter zahle. Die Angeklagten hätten "bis zum letzten Cent alles haben wollen. Ich habe gesagt, dass ich nicht mehr leben kann und einen Banküberfall machen muss. Mir ist kein Euro geblieben."

Falscher SMS-Empfänger lässt Fall auffliegen

Die Sache flog erst auf, als die Pädagogin im Sommer 2011 eine SMS anstatt an "Samantha" irrtümlich an ihren eigenen Ehemann sandte und dieser von den Vorgängen Wind bekam. Der Mann erstattete umgehend Anzeige.

Die Angeklagten bekannten sich formell schuldig, behaupteten jedoch, es wären keine Drohungen gefallen. Das Geld hätten sie "der Kirche gespendet" bzw. "in Opferstöcke geworfen", wobei die 20-Jährige am Ende der Verhandlung dann doch noch ein umfassendes Geständnis ablegte. Sie räumte ein, die erlangten Beträge in einem von ihrer Mutter angemieteten Bankschließfach deponiert zu haben. Teilweise tätigte die 20-Jährige mit der Beute auch Überweisungen an Angehörige in Serbien.

Die 45 Jahre alte Erstangeklagte erhielt zwei Jahre Haft, davon sieben Monate unbedingt. Ihre Tochter bekam 16 Monate, davon vier Wochen unbedingt. Außerdem müssen sie ihrem Opfer die 60.000 Euro zurückbezahlen. Die Urteile sind nicht rechtskräftig. (APA)