Spar- und Sanierungspaket, vor allem Vereinbarungen zu einem Schuldennachlass durch private Gläubiger, welche Premierminister Lukas Papademos in Athen präsentiert hat, sind beachtlich. Das Taktieren der Parteichefs um Kürzungen von staatlichen Zusatzpensionen bis zur letzten Minute kann daran nichts ändern, auch wenn es dabei um „nur" 300 Millionen Euro ging - geradezu läppisch angesichts dutzender fehlender Milliarden im Haushalt.

Aber Politiker oder Gewerkschaftsfunktionäre müssen eben immer auch auf Wahltermine schielen. Das ist in Österreich nicht anders, wo das Sparpaket der rot-schwarzen Regierung im Vergleich zu den Problemen rund um die Ägäis sehr relativ erscheint; wo ein Fritz Neugebauer, ein Erich Foglar auf Schmolldistanz gehen.

Daher sollte man sich hierzulande nicht überheblich empören über die griechischen Verhältnisse und Versäumnisse. Viel wichtiger ist, dass die Regierung in Athen jetzt zum ersten Mal seit der drohenden Pleite im Mai 2010 erkennen lässt, dass sie es ernst meint mit der Absicht, das Land beherzt aus dem Jammertal zu führen.
Ein Beispiel: Das Land mit 10 Millionen Einwohnern hat rund eine Million Beamte, den Sicherheitsapparat eingerechnet. Ein Wahnsinn.
Aber: Papademos will bis 2015 nicht weniger als 150.000 (überflüssige) Staatsposten einsparen. Solches würde auch in Österreich vermutlich zu Aufständen führen.

Zu glauben, dass dieses (vorläufig nur angekündigte) Programm bereits einen Wendepunkt bedeutet, und auch den (sicheren) Verbleib im Euroraum, wäre freilich ein schwerer Denkfehler. Griechenland hat seit dem EU-Beitritt 1981 die industrielle Basis seiner Wirtschaft und damit die Exporte „vernichtet" - durch üppige EU-Subventionen und ab Euro-Einführung 2004 durch viel zu billige Kredite im Vergleich zur Wirtschaftskraft. Das stellt in einem berührend offen-aufrichtigen Interview mit der FAZ nicht ein böser Eurofunktionär fest, sondern der griechische Wirtschaftsminister Michalis Chrysochoidis, ein Sozialist. Die Griechen hätten leider viel zu viel in den Konsum gesteckt statt in Produktivität.
Genau das muss Griechenland (wie auch Portugal) jetzt umkehren, was extrem schwierig und langwierig sein wird. Ohne die Hilfe der Partner in der Europäischen Union wird ihm das nicht gelingen können. Sparen und Entschulden ist das eine. Aber um lebens- und zukunftsfähig zu sein, braucht Griechenland dringend Vertrauen und Investitionen - ob es Mitglied der Eurozone bleibt oder nicht. Die Lage unterscheidet sich da gar nicht so sehr von jener Ostdeutschlands nach der Wiedervereinigung.

Wie damals gilt nun in Europa: Vor allem Deutschland wird helfen müssen - durch Kredite, später vermutlich durch gemeinsame Euroanleihen oder gar durch Transferzahlungen. Die anderen Länder würden (müssten?) folgen. Aber noch ist die deutsche Regierung, ist Kanzlerin Angela Merkel nicht so weit, ihrer Bevölkerung dazu reinen Wein einzuschenken.

Was auch damit zu tun hat, dass es Berlin schwerfällt, seine Europapolitik stärker geo- und sicherheitspolitisch zu sehen. Der Blick auf die Landkarte genügt, um zu erkennen, warum die Union Griechenland so bald nicht fallenlassen, in soziale Unruhen abdriften lassen wird: Seine Nachbarn am Mittelmeer heißen Libyen, Ägypten, Türkei, Syrien. Ein instabiles Griechenland kann die EU nicht brauchen. (DER STANDARD; Print-Ausgabe, 10.02.2011)