London - In Shakespeares Theater wurden alle Rollen von Männern besetzt. Das war gängige Praxis auf elisabethanischen Bühnen. Frauen galten als schauspielerisch unbegabt. Das Londoner "Globe Theatre", das im nachgebauten Originalambiente Shakespeare auf einer Freiluftbühne spielt, hat den Spieß jetzt umgedreht. Es besetzte das Stück um den bösen Richard III. mit einem durchwegs weiblichen Ensemble. Zur gleichen Zeit wird im Globe auch Richard II. aufgeführt - in ausschließlich männlicher Besetzung.

Die Aufführung um Richard III., einen der intrigantesten und bösartigsten Shakespeare-Könige, dessen Weg zum Thron auch über Kinderleichen führte, ist überraschend witzig. Kathryn Hunters Richard ist vermutlich einer der kleinsten Richards, die je auf der Bühne gestanden haben. Der Rest des Ensembles überragt sie um mehr als Haupteslänge. Sie erscheint ganz in Schwarz und verzerrt die Behinderungen des lahmen und buckligen Königs bis zum Grotesken. Trotz allem ist ihr Richard stets bester Laune und genießt die Auswirkungen der von ihm beauftragten Morde und Grausamkeiten wie ein Conférencier die von ihm angekündigten Kabarettstücke.

Wenn er den Kopf eines seiner Neffen packt und mehrmals auf ihn schlägt, wirkt das wie Slapstick, und das Publikum lacht. Die Herren vom Hofstaat werden zurückhaltender dargestellt: in ihnen werden männliche Verhaltensmuster nur angedeutet; nur Richard selbst wirkt wie eine vollkommene Kunstfigur.

Starke Frauen im Stück

Gerade dieses Shakespeare-Stück von Frauen spielen zu lassen, ist eine interessante Entscheidung. Denn es sind gerade hier die Frauen, die unter Richards brutalen Maßnahmen leiden. Er lässt ihre Männer, Kinder oder sie selbst umbringen. Selbst die eigene Mutter wünscht ihm schließlich den Tod. In Barry Kyles Inszenierung erscheinen die Frauen wie überlebensgroße Rachegöttinnen in ihren schweren, der Shakespeare-Zeit nachempfundenen Brokatkostümen. Alle Frauen des Stücks kehren sich an irgendeinem Punkt gegen Richard, formulieren ihre Klage und setzen die Wahrheit ihrer eigenen Geschichte(n) gegen Richards Lügen. Gerade weil die Inszenierung ohne Männer auskommt, wirken die "echten" Frauen im Stück um so stärker.

Die Männer-Besetzung in "Richard II." setzt hingegen keine starken Akzente für das von Tim Carroll inszenierte Stück. Hier ist vor allem der Globe-Hausherr Mark Rylance das Ereignis. Er übernimmt die Rolle des schwächlichen, eitlen Königs Richard II., eines geistigen Verwandten Hamlets. Wo Richard III. brutal und überlegen - und seinen Gegnern immer einen Schritt voraus - ist, hadert und zweifelt sein Vorgänger. Auch er demonstriert schließlich Stärke und Grausamkeit. Eines verbindet Richard II., den Herrscher wider Willen, und den machtgierigen Richard III. jedoch : Keiner von ihnen kann mit der Rolle eines Königs umgehen, beide müssen am Ende scheitern. (APA)