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Griechenlands Finanzminister Evangelos Venizelos und Premier Loukas Papademos: Zufrieden, entschlossen, erschöpft - wahrscheinlich eine Mischung von alledem. Papademos im O-Ton: "Sehr glücklich". Auch nach den Wahlen im April werde das Programm wie vereinbart umgesetzt.

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Eurogruppen-Chef Jean-Claude Juncker und IWF-Chefin Christine Lagarde sind nach der Marathon-Nachtsitzung zur Rettung Griechenlands sichtlich fertig. Ob die Anstrengungen auch ausreichen, das weiß heute noch keiner.

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Brüssel – Griechenland ist trotz des größten Staatsschuldenschnitts aller Zeiten aus Sicht seiner Geldgeber noch lange nicht über den Berg. In einer vertraulichen Analyse warnten der Internationale Währungsfonds (IWF), die Europäische Zentralbank (EZB) und die EU-Kommission, die Schulden könnten leicht wieder aus dem Ruder geraten, und die wirtschaftliche Erholung werde Jahre dauern.

Die Finanzminister der Euro-Länder haben in der Nacht auf Dienstag das zweite Hilfspaket für Griechenland festgezurrt. Es hat ein Volumen von 130 Mrd. Euro. Die privaten Gläubiger mussten außerdem auf 53,5 Prozent ihrer Forderungen von in Summe 200 Mrd. Euro verzichten und den Rest auf niedrig verzinste Papiere umschulden. Ihr Gesamtverzicht könnte sich damit auf bis zu 74 Prozent summieren. Die EZB wiederum will Gewinne aus Griechenland-Anleihen über die Nationalbanken Griechenland zugutekommen lassen. In Summe soll so die Verschuldung des Landes von derzeit 160 Prozent des BIP bis 2020 auf 120,5 Prozent des BIP sinken.

Allerdings kommt die angestrebte Entlastung nur zustande, wenn sich mehr als 90 Prozent der Gläubiger an dem Umtausch beteiligen. Um das sicherzustellen, will die griechische Regierung bereits am Donnerstag über ein Gesetz abstimmen lassen, um die Konditionen der alten Staatsanleihen rückwirkend so ändern, dass eine Teilnahme erzwungen werden kann, wie aus dem Finanzministerium in Athen verlautete.

Etappensieg

Zahlreiche Schritte stehen noch aus, bis alle Maßnahmen endgültig fixiert sind. Bis 8. März müssen die Privatgläubiger dem Schuldenverzicht zustimmen, damit die Maßnahme als "freiwillig" gelten kann und keine Abstufung Griechenlands durch die Ratingagenturen – auf dann "zahlungsunfähig" – auslöst. Auch muss der Internationale Währungsfonds noch erklären, in welchem Umfang er sich an dem Paket beteiligt. Am ersten Paket hatte der IWF 30 Prozent geschultert, für das zweite war laut Deutschlands Finanzminister Wolfgang Schäuble von 10 Prozent (13 Mrd. Euro) die Rede.

IWF-Chefin Christine Lagarde sagte, das Direktorium des Fonds werde in der zweiten Märzwoche entscheiden. Nicht nur Griechenlands neue Reformzusagen seien für den Beschluss wichtig, sondern auch die beim Gipfel Anfang März anstehende Entscheidung über eine Verstärkung der Krisenabwehrfonds EFSF und seinem Nachfolger ESM. Lagarde gab nicht zu erkennen, ob der Fonds sich auch weiterhin zu einem Drittel an den öffentlichen Hilfen beteiligen werde. Einige IWF-Mitglieder fordern, dass die Eurozone zunächst selbst mehr zum Schutz vor der Krise tun und die 500 Milliarden des ESM mit den noch verfügbaren etwa 250 Milliarden Euro des EFSF kombinieren soll. Das forderte auch EU-Währungskommissar Olli Rehn erneut.

Zufriedene Politiker

Die Politik zeigte sich am Dienstag zufrieden. Bundeskanzler Werner Faymann (SPÖ) verwies darauf, dass es sich bei den Hilfen unverändert "um Kredite und nicht um Geschenke" handle. Vizekanzler Michael Spindelegger (ÖVP) gab sich zuversichtlich, dass Griechenland nun bis 2020 halbwegs auf die Beine komme. Finanzministerin Maria Fekter (ÖVP) sieht die Ziele erreicht, Griechenland habe so mehr Geld und mehr Zeit, um ihre Liquidität zu sichern. Österreich habe mit den Hilfen für Griechenland angesichts mehrfach gekürzter Zinsen zwar nicht unbedingt Geld verdient, aber bisher auch noch keines verloren.

Historisches Ereignis

In Griechenland sprach Ministerpräsident Lucas Papademos von einem "historischen Ereignis": "Das Übereinkommen gibt Griechenland die Möglichkeit, die Ungewissheit zu überwinden und das Vertrauen in die griechische Wirtschaft wieder zu festigen." Der griechische Finanzminister Evangelos Venizelos betonte: "Wir haben ein besseres Ergebnis erzielt, als wir erwartet hatten." Das Übereinkommen versetze Griechenland in die Lage, damit aufzuhören, immer neue Schulden anzuhäufen. "Nun können wir die Wirtschaft des Landes wieder in die richtige Spur bringen und unsere Würde zurückgewinnen." In griechischen Medien überwog die Erleichterung: "Das Übereinkommen von Brüssel bedeutet für die Griechen in der Schuldenkrise die einstweilige Rettung, aber sie gibt keinen Anlass zum Feiern", schrieb die angesehene Online-Zeitung tovima.gr am Dienstag.

Zweifel an der Nachhaltigkeit

Die Hilfsmilliarden fließen also weiter nach Athen, so viel ist sicher. Doch wem nutzt das eigentlich? Den Griechen? Europa? Den Banken? Für Kritiker wie Ifo-Präsident Hans-Werner Sinn ist die Antwort eindeutig. Der Ökonom sagte "Spiegel Online": "Es geht hier gar nicht so sehr um das Land. Die Griechen werden von den Banken und Finanzinstituten von der Wall Street, aus London und Paris als Geisel genommen, damit das Geld aus den Rettungspaketen weiter fließt – nicht nach Griechenland, sondern in ihre eigenen Taschen."

Zweifel an der Nachhaltigkeit der heutigen Einigung kam am Dienstag von Ökonomen: Commerzbank-Chefvolkswirt Jörg Krämer verweis darauf, dass Athen ohne tiefgreifende Reformen seine Schulden nicht tragen werde können. "In der zweiten Jahreshälfte ist die Wahrscheinlichkeit beträchtlich, dass eine frustrierte Staatengemeinschaft Griechenland den Geldhahn zudreht."

Ob Griechenland mit dem zweiten Hilfsprogramm langfristig wieder auf einen grünen Zweig kommt, gilt selbst bei seinen Geldgebern IWF und EU sowie der EZB nicht als gesichert. In der Analyse heißt es, das Reformprogramm bleibe gefährdet und werde von Fragen nach seiner Nachhaltigkeit überschattet. So könnten weitere Verzögerungen bei den unpopulären Strukturreformen und Privatisierungen die Rezession verschärfen. Im Ergebnis könnte der Schuldenstand 2020 noch immer bei 160 Prozent des BIP liegen. Die Troika will die Reformen daher künftig besser überwachen.

Kurz vor der Pleite

Das zweite Rettungspaket für Athen kommt praktisch in letzter Sekunde, weil Griechenland am 20. März seine nächsten Verbindlichkeiten von 14,5 Milliarden Euro begleichen muss. Ohne Hilfe wäre das Euroland pleite gewesen. Das vor dem Bankrott stehende Griechenland wurde bisher bereits mit einem ersten Hilfspaket im Gesamtausmaß von 110 Milliarden Euro versorgt. Davon sind nach Auszahlung von 73 Milliarden noch 34,3 Milliarden Euro übrig, die in das zweite Rettungspaket einfließen sollen. Wie genau dies passiert, war zunächst nicht definiert. Der mit seinen privaten Gläubigern ausgehandelte Schuldenschnitt soll Griechenland laut Verhandlungsführern in absoluten Zahlen eine Erleichterung in Höhe von 107 Milliarden Euro bringen.

Bedingungen erfüllt

Griechenland hatte zuvor wesentliche Bedingungen der Euroländer erfüllt. Dazu gehörten die Zustimmung des Parlaments und der Chefs der großen Parteien zu den Sparzielen sowie zusätzliche Sparmaßnahmen von 325 Millionen Euro. Die griechische Regierung verabschiedete am Samstag auf einer Sondersitzung eine Reihe von Gesetzesentwürfen zur Umsetzung des von der EU verlangten Sparkurses. So werden höhere Pensionen gekürzt und die Mindestlöhne gesenkt. Als Gegenleistung für neue Milliardenkredite muss sich Athen einer schärferen Kontrolle unterwerfen. (Reuters/APA/red, derStandard.at, 21.2.2012)