Mit Schoßhund zurück an den Start: Charlize Theron als verlotterte Großstädterin in Jason Reitmans Komödie "Young Adult".

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Wien - Männer, die nicht erwachsen werden wollen und ihren Teenagervorlieben auch in reiferem Alter nicht abschwören, gibt es in US-Komödien zuhauf. Ähnlich gelagerte Parts für Frauen sind dagegen rar. Cameron Diaz hat ein paar wenige davon eingeheimst, zuletzt in Bad Teacher, auch Anna Faris durfte öfters einmal ungebremst regredieren. Doch es hat anscheinend der Star-Drehbuchautorin Diablo Cody (Juno) bedurft, um mit Mavis Gary (Charlize Theron) eine Frauenfigur zu kreieren, die nicht nur für Gags gut ist, sondern auch als eine Art Rollenmodell taugt.

Mavis Gary bietet beträchtliches Identifikationspotenzial. Urban, unabhängig und attraktiv zugleich, repräsentiert sie eine Frau, die es aus der Provinz immerhin in die nächstbeste Großstadt, nach Minneapolis, schaffte, wo sie als (anonyme) Autorin von "Young Adult Fiction" lebt (so wird Teenage-Serien-Trash in den USA übertitelt). Young Adult heißt nun auch Jason Reitmans Film, der damit beginnt, dass das Leben der Heldin an einem bestimmten Totpunkt angelangt ist. Den Leerlauf ihres Daseins versinnbildlichen schon der morgendliche Gang zum Kühlschrank (nach Entfernung des Plastik-BHs) und die Schluckgeräusche, die sie bei der Besänftigung ihres Brandes mit Cola macht.

In solchen Momenten blickt man gerne zurück auf bessere, auf erfolgreichere Zeiten. Mavis ruft ihre Mails ab und stößt auf eine Nachricht ihres High-School-Schwarms Buddy (Patrick Wilson), der die Geburt seines Kindes verkündigt. "Babys are boring", bedeutet dies in Mavis' Logik, und so bricht sie tatsächlich in die Kleinstadt Mercury auf, um sich selbst und allen anderen zu beweisen, dass man im Ort ihrer Jugend noch immer zu ihr hochblickt. Ein heikles, für Peinlichkeiten prädestiniertes Unterfangen, das Cody ein paar Drehungen zu weit ins Wahnhafte spannt: Denn Mavis soll - in narzisstischer Selbstüberschätzung - tatsächlich glauben, dass sie Buddy aus seinem Familienglück reißen und für sich zurückgewinnen kann. So viel Motivation hätte diese Frau aber gar nicht nötig.

Exotischer Vogel

Dennoch ist Young Adult ein couragierter Film, dem es gelingt, seine Figur trotz augenscheinlicher Defekte vor einer stumpf-spießigen Umwelt zu verteidigen. Was der Geschichte an Plausibilität fehlt, holt Cody ohnehin mit situativer Komik und pointiertem Dialogwitz auf. Mavis wirkt in dem von Food-Chain-Stores und Shoppingmalls überschwemmten Mercury wie ein exotischer Vogel. Schon bei ihrem ersten "Date" mit Buddy in einer gewöhnlichen Bar verleiht ihr Auftritt dem Begriff "overdressed" eine neue Dimension. Sie ist tatsächlich die psychotische "Prom-Queen", die die nun verheirateten Konkurrentinnen in ihr sehen. Auch dass der gemeinsame Liebessong von ehedem, The Concept von Teenage Fanclub, längst das Glück einer anderen Verbindung besiegelt, wird sie nicht stoppen können.

Es liegt an der umwerfenden Charlize Theron, dass Mavis Gary und ihr verzweifelter Plan Eigenleben gewinnen. Mit gutem Grund setzt Reitman wiederholt ihre Verwandlungen ins Bild: Schlampig und muffig sieht sie in ihren Jogginghosen aus, man meint, den schlechten Atem riechen zu können; dann wieder strahlt sie zurechtfrisiert und aufgeputzt wie eine Schaufensterpuppe. Wie man sich sieht, wie einen die anderen sehen und wie man gesehen werden will - darum geht's in diesem Film.  (Dominik Kamalzadeh  / DER STANDARD, Printausgabe, 23.2.2012)