Transparente Fotos oder eine "sehr dünne Skulptur": "Powers of Two" (2003).

Foto: Secession / Wolfgang Thaler

Mit Filmen und Kunst in Wien: Michael Snow. Snow, 82, ist Jazzmusiker und Künstler. Fotos, Installationen, Gemälde, Skulpturen und Filme des Kanadiers werden seit den 1960er-Jahren international ausgestellt und ausgezeichnet.

Foto: Filmmuseum / John Emrys

Mit Michael Snow  sprach Isabella Reicher.

Wien - Wahrscheinlich ist Peter Kubelka schuld daran, dass man den inzwischen 82-jährigen kanadischen Musiker und Multimediakünstler Michael Snow hierzulande bisher vor allem als Experimentalfilmemacher wahrgenommen hat. Arbeiten wie Wavelength, Rameau's Nephew oder So Is This gehören schließlich seit Jahrzehnten zum Repertoire des Österreichischen Filmmuseums. Die Secession rückt nun erstmals in Wien Michael Snows nicht für die Kinoleinwand, sondern für den Ausstellungsraum konzipierte Werke ins Zentrum: mit sieben großformatigen Fotografien und Bewegtbildinstallationen, die seit 2002 entstanden sind.

Standard: Im Grafischen Kabinett der Secession läuft derzeit Ihr Film Sshtoorrty. Er besteht aus einer in zwei Hälften geteilten Spielszene. Beide Teile übereinandergelegt sind gleichzeitig zu sehen. Was war die Ausgangsidee?

Snow: Es war von Anfang an so berechnet, dass ich genau in der Mitte der Szene schneiden konnte. Es ist eine Galeriearbeit - da ist der Umstand, dass sie als Loop immer wiederkehrt, essenziell. Man sieht die Szene einmal, beim zweiten Mal entdeckt man schon mehr. Begonnen hat es aber damit, dass über meine Filme oft geschrieben wurde, sie hätten versteckte erzählerische Absichten. Ich hingegen dachte, ich habe nie einen narrativen Film gemacht, vielleicht sollte ich das ausprobieren. Und es schien mir interessant, eine Kurzgeschichte einfach noch kürzer zu machen.

Standard: Wie entscheiden Sie, welches Medium Sie verwenden?

Snow: Hauptsächlich arbeite ich fotografisch, und damit meine ich nicht die Filme, sondern meine Arbeiten für Galerien. Ich habe mich schon immer für die Zweidimensionalität der Fotografie interessiert. Meist wird sie nicht thematisiert, auch in der Kunst geht es mehr um den Realismus. Aber ich habe immer versucht, diese Erfahrung von Zweidimensionalität einzubeziehen.

Standard: In vielen Ihrer Arbeiten geht es um Wahrnehmung und Verräumlichung - verfolgen Sie eigentlich den gegenwärtigen 3-D-Trend?

Snow: Ich finde das interessant, aber ich habe noch keine Idee gehabt, die es notwendig gemacht hätte, damit zu arbeiten.

Standard: Schauen Sie sich Unterhaltungsfilme an?

Snow: Nein. Nie. (lacht)

Standard: Sie sind also über den Experimentalfilm zum Experimentalfilm gekommen?

Snow: Mir wurde in den 50er-Jahren Arbeit in einer Animationsfilmfirma angeboten. Ich hatte keinen Plan, wovon ich leben sollte, das war also großartig. Nur durch diese Arbeit habe ich angefangen, mich fürs Filmemachen zu interessieren. Ich habe es quasi von innen gelernt, ein Kader nach dem anderen. Ich wurde da reingesetzt und dachte mir bald: "Na, das ist aber interessant, da kann man allerhand damit machen" (lacht). Ich wurde neugierig, obwohl ich keine Ahnung hatte, dass so etwas wie Experimentalfilm existiert.

Standard: Sie haben auch Kunst im öffentlichen Raum gemacht.

Snow: Ich arbeite gerade wieder an so einem Projekt. Donald Trump lässt in Toronto einen Wolkenkratzer bauen, und ich mache dafür ein Kunstwerk, Lightline. Es ist 60 Stockwerke, 280 Meter hoch. Wir sind mit der Programmierung zur Hälfte durch, im Mai oder Juni sollte es dann installiert sein.

Standard: Haben Sie ein festes Team von Mitarbeitern?

Snow: Nein, das wechselt von Projekt zu Projekt. Im Filmmuseum ist *Corpus Callosum (2002) zu sehen, ein Versuch, die neue Gestaltwandler-Technik zu verwenden, die es im klassischen Kino nicht gegeben hat. Angefangen hat das so, dass ich ein Konzert gespielt habe und in der Pause mit jemand ins Gespräch gekommen bin, der mir erzählt hat, dass er Videosoftware programmiert. Ich hatte schon seit den 80ern Ideen für einen Gestaltwandler-Film gesammelt. Der Mann meinte, er würde mich bei der Umsetzung gern unterstützen. Er war einer der Designer von Houdini, einer Software, die für Hollywoodfilme verwendet wurde und sogar einen Academy Award gewonnen hat.    (DER STANDARD, Printausgabe, 24.2.2012)