Die Stipendienvergabe in der Österreichischen Akademie der Wissenschaft: Nicht einmal ein Viertel der Bewerber können zum Zug kommen.

Foto: Kelety

In den marmornen Halle der Akademie der Wissenschaften (ÖAW) steht ein Labyrinth aus Postern. Zur Abwechslung geht es in dieser Ausstellung aber nicht um gesammeltes Wissen, sondern - was ÖAW-Präsident Helmut Denk besonders interessant findet - um Unwissen. Jedes Plakat ist eine offene Frage, die es für wert befunden wurde, in bestmöglichen Forschungsbedingungen beantwortet zu werden: Die ÖAW vergab letzten Freitag 72 Stipendien, die Nachwuchsforscher für die nächsten Jahre finanziert.

Walter Fuchs steht vor seinem Poster und erklärt, was die Österreich-Grafik in verschiedenen Blautönen darstellt. Unter dem Titel " Das vertretene Rechtssubjekt" untersucht er verschiedene Modelle von Vormundschaft und macht ein "empirisches Rätsel" aus. Dass vermehrte Vormundschaft allein mit der Alterung der Gesellschaft zusammenhänge sei eine zu einfache Erklärung.

Das Apart-Stipendium ermöglicht es ihm, sich in den nächsten Jahren auf seine Habilitation vorzubereiten und sich dabei "in ein Projekt methodisch fundiert zu vertiefen", was bei Auftragsarbeiten für Beratung öffentlicher Stellen oft zu kurz käme. Fuchs arbeitet am Institut für Rechts- und Kriminalsoziologie. Da es eine außeruniversitäre Einrichtung ist, sei die Drittmittelversorgung besonders wichtig.

Ein besonders buntes Plakat hat das Projekt "Räumliche und zeitliche Struktur des Bergbaugebietes Kitzbühel". Darauf zu sehen sind vier ineinandergreifende Puzzlesteine: Archäologie, Geschichte, Botanik und Bauingenieurswissenschaften. Das Doc-Team-Projekt ging vom Forschungszentrum Himat der Uni Innsbruck aus und vereint die Dissertationen von vier Studierenden unterschiedlicher Disziplinen.

Dialog der Wissenschaften

"Wir Archäologen sind es durch die Ausgrabungen gewohnt, im Team zu arbeiten", erklärt Anja Masur. Doch diese intensive Zusammenarbeit sei dennoch etwas Besonderes, fügt ihr Doc-Team-Kollege Thomas Koch-Waldner hinzu: "Man hat direkten Zugang zu den anderen Disziplinen und lernt, auf die einzelnen Bedürfnisse einzugehen", was zwischen Geistes- und Naturwissenschaften oft gar nicht so einfach sei.

"Das ist meine Rettung für die nächsten zwei Jahre", sagt Sabine Gatt und zeigt auf ihr Poster. Es erläutert in einem netzwerkartigen Brainstorming das Thema "Sprachenpolitik als Instrument der intersektionalen Klassifikation". Ihr Dissertationsprojekt "Symbolic Politics Matter" erhielt ein Doc-Stipendium. Die Politologin beschäftigt sich darin mit den Deutschansprüchen in der Einwanderungspolitik. Sie untersucht das Vokabular und die Art, wie solche Immigrationsgesetzgebung nach außen kommuniziert wird, und macht dabei " Feindbildkonstruktionen" aus.

Zuvor arbeitete die studierte Germanistin im Bereich Deutsch als Fremdsprache, was ihr rückwirkend auch bei ihrem aktuellen politologischen Thema weiterhilft. Darin verbindet sie Migrations-, Globalisierungs- und Geschlechterforschung. Durch das Stipendium konnte sie bei der Plattform für Geschlechterforschung an der Uni Innsbruck angestellt werden.

72 Stipendien, 400 Bewerber

Die Stipendien der ÖAW zählen zu den renommiertesten Förderprogrammen von Jungforschern in Österreich - und sind dementsprechend begehrt. Dissertanten werden mit 30.000 Euro brutto jährlich gefördert, Apart bringt 55.000 Euro. Die 72 Bewilligungen wurden aus einem Pool von 400 Bewerbern ausgewählt, "hochselektiv", wie ÖAW-Präsident Denk hervorhebt.

Wissenschaftsminister Karlheinz Töchterle legte seine Ansprache seiner wissenschaftlichen Herkunft und dem Anlass entsprechend an: "Als Philologe beginne ich gern epistemologisch", sagte er und führte die Begriffsgeschichte des Wortes "Stipendium" auf "stips" und "pendere" zurück, wobei er den zweiten Teil näher ausführte - das Wägen. Durch ein international besetztes Gremium seien "einige als genügend schwer, andere zu leicht" für die Förderung befunden wurden.

Insgesamt fördert die ÖAW Jungforscher mit sechs verschiedenen Stipendienprogrammen (siehe Wissen). Großteils werden sie vom Ministerium finanziert - im Jahr 2011 mit 6,8 Millionen Euro. Kürzungen des ÖAW-Budgets haben zur Folge, dass für Dissertanten sieben Stipendien weniger vergeben werden können. (DER STANDARD, Printausgabe, 29.02.2012)

=> Wissen: Sechsfacher Förderpool

Wissen: Sechsfacher Förderpool

Das Stipendienprogramme der Akademie der Wissenschaften umfasst sechs verschiedenen Kategorien:

Apart fördert Forscher, die sich habilitieren wollen. Es wird für zwei bis drei Jahre vergeben - heuer zehnmal.

Flare fördert Postdocs im Bereich Altersforschung.

Max Kade fördert promovierte Österreicher bei ihrer Forschungstätigkeit in den USA.

Doc fördert Dissertanten aller Disziplinen für zwei bis drei Jahre - heuer 25 Personen.

Doc-fForte wurde heuer zum letzten Mal vergeben. Es fördert Frauen in naturwissenschaftlichen, technischen Bereich, die in Zukunft durch das Doc-Stipendium unterstützt werden sollen.

Doc-team fördert drei bis vier Dissertanten, die in einem interdisziplinären Projekt arbeiten. (trat)