Brüssel/Wien - Die EU-Kommission hat die europäische Justiz-Koordinierungsstelle Eurojust in die Ermittlungen gegen Rakhat Aliyev, den des doppelten Mordes verdächtigen kasachischen Ex-Botschafter in Österreich, eingeschaltet. Justizkommissarin Viviane Reding teilte in einer schriftlichen Beantwortung einer Anfrage des EU-Parlamentariers Klaus-Heiner Lehne mit, dass Eurojust von der Kommission aufgefordert worden sei, sich der Causa Aliyev anzunehmen und die Behörden der Mitgliedsländer dabei zu unterstützen, "Unterschiede in der Jurisdiktion auszuräumen und ihre Ermittlungen effektiver zu gestalten".

Rakhat Aliyev, der nach Medienberichten derzeit auf Malta lebt - werden Entführung, Mord bzw. Anstiftung zu Morden an zwei Bankmanagern, Misshandlung von Leibwächtern seines politischen Kontrahenten, des früheren kasachischen Ministerpräsidenten Azekhan Kazhegeldin, sowie Untreue und Geldwäsche vorgeworfen. Das bisherige Verfahren in Österreich wurde auf europäischer Ebene bereits mehrfach kritisiert. Die mutmaßlichen Täter sind auf freiem Fuß, Aliyev auf Malta, zwei mutmaßliche Mittäter in Österreich.

Die Vorwürfe werden von den Anwälten des Ex-Botschafters bestritten. Aliyev bezeichnet sich als Opfer politischer Verfolgung durch seinen ehemaligen Schwiegervater.

Opfer besorgt

Die EU-Kommission sei sich der Besorgnis der Opfer der Verbrechen bewusst, die Aliyev angelastet würden, heißt es in der Anfragebeantwortung weiter. Reding verweist auf einen Vorschlag der Kommission für eine EU-Richtlinie, wonach Opfern generell das Recht gewährt werden soll, in Strafverfahren gehört zu werden - und zwar in jeder von den Opfern ausgewählten Form. Es sei zu bedenken, dass jede Verzögerung eines Strafverfahrens für die Opfer und ihre Familien "eine erhebliche Belastung" darstelle.

Der Richtlinienvorschlag werde, so Reding, derzeit im Europäischen Parlament und im EU-Rat der Justizminister erörtert. Der Vorsitzende des Rechtsausschusses im Europaparlament, der CDU-Politiker Lehne, hatte die Kommissarin Ende Jänner im Hinblick auf die Causa Aliyev um Auskunft gebeten, wie Sie sicherzustellen gedenke, dass einzelne Mitgliedsstaaten die Opferrechte in grenzüberschreitenden Sachverhalten "nicht leer laufen lassen", indem sie während eines vom Heimatstaat initiierten Auslieferungsverfahren keine Ermittlungen gegen den mutmaßlichen Täter anstellen.

Kritik an Ermittlungen

Lehne präzisierte am Mittwoch seine Kritik an den Ermittlungen gegen Aliyev. Der ehemalige Schwiegersohn des kasachischen Präsidenten Nursultan Nasarbajew stehe nicht nur unter Doppelmord-Verdacht, es gebe zudem den massiven Verdacht, dass Aliyev ein Netzwerk der Geldwäsche in mehreren europäischen Staaten aufgezogen habe. Es sei an der Zeit, dass die betroffenen Staaten aufhörten, diese Vorwürfe als nationale Angelegenheiten zu betrachten. Die Verdachtsmomente gegen Aliyev müssten als "europäische Causa" behandelt werden, sagte Lehne.

Eurojust solle sich der Causa "intensiver annehmen und sicherstellen, dass ernsthaft ermittelt" wird, sagte Lehne. Der Vorwurf derart gravierender Straftaten müsse aufgeklärt werden. Die Reaktion der EU-Justizkommissarin zeige, dass die Kommission "das Problem kennt" und sich der misslichen Lage der Opfer bewusst sei.

Anwalt wundert sich

Der österreichische Anwalt Gabriel Lansky, der die Witwen der beiden in Kasachstan ermordet aufgefundenen Bankmanager vertritt, begrüßte es, dass ein so komplexes Verfahren mit vielen tausenden Seiten Akten jetzt durch europäische Justizstellen unterstützt werde. Ernsthafte Ermittlungen in einem Mordfall seien "üblicherweise zwingend mit der Verhängung der Untersuchungshaft verbunden", sagte Lansky. Er müsse sich die Frage stellen, warum dies bei Aliyev nicht der Fall sei. (APA)