Richard Gebert kann mich zuerst nicht verstehen. Knapp über seinem Kopf - so mutet es durchs Handy an - aktiviert ein Flugzeug gerade seine Schubumkehr: Eine Hörprobe aus Schwadorf im flachen Südosten vor Wien - und gleichzeitig eine eindrückliche Heranführung ans Thema: den Flughafen, seine Anrainer und den Marathonversuch, Airport-Expansionsbestrebungen und Bürgerbedürfnisse konsensual zu lösen. Via Mediation.

Dieser hängt der Schwadorfer SP-Bürgermeister mit Respekt an. Obwohl sich das Verfahren viemediation.at - so die offizielle Bezeichnung (und Homepageadresse) - seit seinen allerersten Anfängen schon über drei ein Viertel Jahre zieht. Und obwohl seine Gemeinde nach dem "ersten Durchbruch", der Ende Mai abgeschlossenen Detailvereinbarung über Lärm einschränkende Maßnahmen im Einfluggebiet, "nicht zu den Gewinnern gehört" - wie Gebert vor nunmehr vogelzwitschernder Geräuschkulisse erläutert. Das Flugzeug ist gelandet.

Überhaupt, so der Sprecher des Nachbarschaftsbeirats im Mediationsverfahren, hätten sämtliche südlichen Airport-Anrainergemeinden die Vereinbarung "nur mit Vorbehalt" unterzeichnet: Schwadorf, Kleinneusiedl, Fischamend und Groß-Enzersdorf. Weil die Entlastung von rund 50.000 Menschen - der Hälfte aller Fluglärmgeplagten - durch bessere Verteilung der An- und Abflüge, durch gezieltes Umfliegen von Ortschaften mit Hilfe neuer GPS-Techniken ab Jänner 2004 vor allem den westlichen Flughafennachbarregionen zugute
Fortsetzung Seite A 2 rechts

Mediation Schwechat

kommen werde. "Die Belastungen werden vielfach von der ,1129er' auf die ,1634er' verlagert", fachsimpelt Gebert.

Die Nummern, die ihm dabei so insiderhaft über die Lippen kommen, sind Bezeichnungen für die beiden Pisten, auf denen derzeit der gesamte Schwechater Flugverkehr abgewickelt wird: Rund 170.000 Starts und Landungen pro Jahr, durchschnittlich 480 pro Tag, finden hier statt. Mit dezibelträchtigen Spitzen in den heißen Urlaubsmonaten, wenn auch Flughafenanrainer gerne die Fenster offen halten.

Kein Wunder also, dass die vor drei Jahren ruchbar gewordenen Baupläne für eine weitere Piste auf bereits aufgestauten Bürgerzorn trafen. Bis 2010 sei mit rund 100.000 Flugbewegungen mehr zu rechnen, hieß es damals. Ein klassischer, auf Konfrontation zusteuernder Konflikt schien sich anzubahnen: Binnen Monaten hatte sich die "Plattform der Bürgerinitiativen gegen die dritte Piste" formiert.

"Hätte der Flughafen damals auf Information und Werbemaßnahmen allein gesetzt: Die Bürgerinitiativen hätten sich ganz furchtbar aufgeregt", schätzt Gebert im Rückblick ein. Doch die Airportbetreiber finanzierten einen intelligenteren Weg der Auseinandersetzung: "Flugzeuge machen nicht nur Freude, sondern auch Lärm", sagte Herbert Kaufmann, Vorstandssprecher der Flughafen AG.

Also werde es darum gehen, "das Ausbauvorhaben mit der Region abzustimmen und die Ängste und Bedenken der Bevölkerung ebenso wie die Chancen wahrzunehmen": Eine Aufgabe, mit deren In-die-Wege-Leitung der Wiener Rechtsanwalt, Mediator und frühere Landessprecher der Grünen, Thomas Prader, beauftragt wurde.

Prader ging das Vorhaben umfassend an: Von Bürgerinitiativen über Anrainergemeinden, die beiden beteiligten Länder Niederösterreich und Wien, die Umweltanwaltschaften, den Nationalpark Donauauen bis zu Parteien und Kammern kontaktierte er 60 verschiedene Gruppen. Die professionellen Kommunikatoren suchte er international: Unter 16 Bewerbungen entschied sich die Vorbereitungsgruppe schließlich für ein dreiköpfiges, deutsch-österreichisches Team: den Oldenburger Uni-Professor Horst Zilleßen, die Konfliktmanagerin Ursula König und den Unternehmensberater Gerhard Fürst (mittlerweile ausgeschieden).

Eineinhalb Jahre lang brauchte es allein, um Basics wie die Frage "Was ist Lärm?" außer Streit zu stellen. Ende 2002 dann, so Prader, sei es endgültig genug der Schwerfälligkeit gewesen: Einer Verschlankung der Verhandlungsgruppe sei "Einsatz an der Grenze der Belastbarkeit" gefolgt. Binnen eines halben Jahres habe "Korb eins" - Lärmverminderung - geschlossen werden können, eine "international beachtete Leistung" (Zilleßen): Die Zusammenarbeit von Airport und Bürgern habe sich "vorbildhaft" entwickelt.

Womit bei viemediation.at auch Zuversicht für die nächste Herausforderung herrscht: Derzeit nämlich geht es in den Arbeitsgruppen und Foren "ums Eingemachte", wie Bürgermeister Gebert es nennt: ums Für und Wider einer dritten Piste. Irene Brickner []